Pfaffenhofen
Hübsche Mädchen und Pfingstlümmel

Heimatforscher Reinhard Haiplik hat kirchliche und weltliche Bräuche zum Hochfest zusammengetragen

02.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:01 Uhr

Als Heiliggeistloch diente wohl einst auch die mittige Lüftungsöffnung in der Decke der Pfaffenhofener Spitalkirche: Wie einige ältere Pfaffenhofener noch aus Erzählungen wissen, wurde dort Anfang des vergangenen Jahrhunderts an Pfingsten noch eine Taube herabgelassen. Das Deckengemälde der Bergpredigt drum herum wurde hingegen erst Jahrzehnte später von Michael P. Weingartner gemalt. - Foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Mit dem Pfingstfest wird auch der Frühling gefeiert. Und so ist es ein Fest der Freude - für Herz und Gemüt, für Fromme und Ungläubige. Da mag es überraschen, dass an den Pfingsttagen traditionelle Bräuche und Riten längst nicht so gepflegt wurden wie zu Weihnachten und Ostern.

Dennoch soll hier von kirchlichen und weltlichen Pfingstbräuchen, die einst in unserem Landkreis und in der Hallertau beliebt waren, erzählt werden. Fast alle sind verschwunden.

"Veni, creator, spiritus" ("Komm, Schöpfer Geist") ist ein uralter, wunderschöner Choral. In vielen Kirchen des Landkreises wird der Hymnus während des Hochamts zu hören sein. In vergangenen Zeiten ließ man sich da etwas Besonderes einfallen. Das Pfingstgeschehen, die Aussendung des Heiligen Geistes, war ja bildlich nicht einfach darzustellen. So sehen wir in unseren Gotteshäusern nur ganz selten Gemälde vom Pfingstwunder. Wie sollte man es den Gläubigen dann anschaulich erklären? Man kam auf folgende Idee: Wenn der Pfarrer "Komm Heiliger Geist" zu singen anhob, öffnete sich ein Deckel am Kirchengewölbe, das "Heilige-Geist-Loch". Der Mesner oder ein Ministrant, der ins Kirchengebälk gestiegen war, ließ eine hölzerne Taube herab. An eine Schnur gebunden schwebte sie über den Häuptern der Gottesdienstbesucher. Am Schnurende waren Papierzungen und Blütenblätter befestigt. Sie sollten die feurigen Zungen symbolisieren, die den Jüngern Jesu erschienen waren. Manchmal ließ man gar eine echte Taube von oben herabfliegen. Gerne wird folgende Begebenheit erzählt. Ob sie wahr ist? Der Pfarrer hatte seinem Mesner vor dem Hochamt befohlen, er solle, wenn er während der Predigt die Worte "Komm, Heiliger Geist!" höre, die lebende Taube durch die Öffnung am Kirchenschiff fliegen lassen. Doch als es so weit war, bewegte sich nichts. Schon ein wenig ungehaltener rief er ein zweites Mal. Wieder keine Taube. Zornig geworden schrie er in Richtung des Mesners "Komm, Heiliger Geist!" Dieser rief herunter: "Herr Pfarrer, der Heilige Geist kommt heute nicht, den hat die Katze gefressen."

Der Brauch war bis 1802 sehr beliebt. Zur Zeit von Max I. Joseph, während der Säkularisation, wurden viele Traditionen, die das "einfache" Volk lieb gewonnen hatte, verboten. Formen der Volksfrömmigkeit wurden mit Argwohn betrachtet. Am Pfingsthochamt durfte keine Taube mehr - hölzern oder lebendig - durch die Deckenöffnung gelassen werden. Der Brauch, so hieß es, diene der "Verdummung" des Volkes. In so manchen Kirchen der Umgebung ist das Heilig-Geist-Loch aber noch zu sehen.

An Pfingsten wird aber auch der Frühling gefeiert. Man bittet um Wachstum und Fruchtbarkeit der Felder, um Segen und Gedeihen der Saat. Dazu wurden Pfingstumritte durchgeführt, in unserer Heimat finden sich aber kaum Belege dafür. Nach dem Scheyerer Pater Beda Parzinger wurde in Niederthann noch um 1930 der Hafer auf dem Feld mit Pfingstweihwasser geweiht. Der Pater erzählt auch von "fliegendem Fleisch" - vom Federvieh, das in Paunzhausen an Pfingsten gern gegessen wurde - in Erinnerung an die Taube.

Volkskundler deuten Hallertauer Pfingstbräuche als alte Fruchtbarkeitssymbole. Oft wurde zu Pfingsten erstmals Vieh auf die Weide getrieben. In einer Art Prozession wurde es durch die Straßen und Gassen des Dorfes geführt. Das kräftigste Tier, der "Pfingstochse" führte sie an. "Pfingstochs" wird heute noch ähnlich dem Palmesel derjenige in der Familie genannt, der an diesem hohen Festtag als Letzter das Bett verlässt. Der echte Pfingstochse war reich geschmückt mit Blumen, Kränzen, Glocken und Bändern. Auf die letzte zur Herde getriebene Kuh wurde der "Pfingstlümmel", auch "Pfingstl" oder "Pfingstling" genannt, gesetzt. Sie wurde dann - gleichsam als ihr Bräutigam - zu der Magd gebracht, die sie zu melken hatte. Der Pfingstlümmel war eine Puppe aus Stroh. Jungen Mädchen, die nicht im besten Rufe standen und als "liederlich" galten, wurde sie vor die Haustüre gestellt oder vor das Kammerfenster gehängt. Anklänge an das "Haberfeldtreiben" sind erkennbar. Wenn es der so bloß gestellten Frau nicht gelang, den Pfingstlümmel vor Tagesanbruch wegzuschaffen, war ihr das Gespött des ganzen Dorfes gewiss. Aber auch unbescholtene, oft sogar besonders hübsche junge Frauen blieben nicht verschont. Dies geschah, wenn sie den Burschen zu Ostern die erbetenen Eier verweigert hatten, penetrante Liebeswerber "abblitzen" ließen oder auf plumpe Annäherungsversuche nicht reagierten. Nach Pater Beda war dieser Brauch im Dekanat Scheyern außer in Gerolsbach 1929 noch allgemein üblich. "Er ist und bleibt ein Unfug", schreibt Pater Beda.

Der unermüdliche Pörnbacher Heimatforscher Martin Schneider erzählt, dass man in Raitbach in der Nacht zum Pfingstsonntag übel beleumundeten Frauen kleine Birken vor das Fenster gestellt habe. Sie hätten dies aber schnell bemerkt. So habe man zu einer drastischeren Methode gegriffen: Man habe den Damen einen Wagen voller Mist auf den Dachfirst gesetzt, weil "Mist wieder zu Mist" gehöre. Verliebte junge Männer setzten mancherorts ihrer Angebeteten zu Pfingsten Birken vor das Haus. So wurde die Birke Mahn-und Liebeszeichen zu gleich.

In Dörfern, die ein Bach durchfloss oder ein Teich schmückte, wurde der Pfingstlümmel zum Wasservogel: Ein Bursche wurde zum Wasservogel erkoren. Mit Buchenlaub am Leib und Blumen am Haupt ritt er inmitten seiner Kameraden durch das Dorf bis zum Weiher, in den er hineingeworfen wurde. Dann zog die Schar ins Wirtshaus. In einer Variante wird der Brauch noch heute in Ortschaften Schwabens und im Bayerischen Wald gepflegt: Junge Männer ziehen am Pfingstsamstag von Haus zu Haus und singen "Gstanzl". Das lassen sich die Besuchten nicht zweimal sagen: Sie schütten Kübel von Wasser über die Sänger, beschenken sie dann aber mit Eiern, Spirituosen und Geld.

In der Umgebung von Pfaffenhofen gibt es diesen Brauch nicht mehr. Dafür hat sich ein anderer erhalten: Manche sehen die Nacht vom Pfingstsamstag zum Pfingstsonntag, wie die Nacht zum ersten Mai, als "Freinacht". Es hat sich also ausgerechnet der Brauch halten können, der oft böse ausartet.