Ingolstadt
"Homosexualität ist keine psychische Störung"

Theologe Wunibald Müller bei der KEB

22.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:10 Uhr |

Ingolstadt (DK) Einfach nur den Menschen in den Fokus rücken. Den Menschen, der neben vielen anderen Eigenschaften eben auch homosexuell ist. Das fordert der Theologe, Psychologe und Psychotherapeut Wunibald Müller, der am Dienstagabend im Canisiuskonvikt den Vortrag „Kann denn Liebe Sünde sein? Herausforderung Homosexualität“ hielt.

Geladen hatte dazu die Katholische Erwachsenenbildung (KEB).

„Die Kirche soll endlich nicht mehr nur von homosexuellen Handlungen oder Akten sprechen, sondern von homosexueller Liebe.“ Wunibald Müller forscht seit Jahrzehnten über Homosexualität und leitet das Recollectio Haus in Münsterschwarzach, in dem Geistliche, Ordensleute und kirchliche Mitarbeiter innehalten und neue Kraft bei persönlichen oder beruflichen Problemen schöpfen können. Müller möchte mit seinen Vorträgen aufklären und der Homophobie entgegenwirken, die zu großen Teilen noch in der katholischen Kirche und in der Gesellschaft herrscht. Zunächst klärte Wunibald Müller die etwa zwei Dutzend Zuhörer über medizinische und sozialwissenschaftliche Fakten der Homosexualität auf. Erst 1973 verschwand Homosexualität von der Liste der psychischen Krankheiten. Allerdings würden fundamentale Kreise sie immer noch darin einordnen und versuchen, Homosexualität zu behandeln. „Homosexualität ist eine sexuelle Präferenz, die man nicht selbst gewählt hat. Jemand der homosexuell ist, kann durch eine Psychotherapie nicht umgekehrt werden.“ Allerdings helfe die Psychotherapie dabei, die Homosexualität anzunehmen. Also wenn Menschen an „Dystonic Sexuality“ leiden, sprich, Menschen die sich unwohl fühlen, weil sie homosexuell sind. Müller zitierte den homosexuellen Schriftsteller und Priester Henri Nouwen, der schrieb, wer homosexuelle Gefühle habe, und so tue, als habe er diese nicht, tue so, als habe er kein Herz. Wunibald Müller klärte seine Zuhörer auf: „Die Homosexualität wird nicht länger als psychische Störung gesehen, sondern als menschliche Variante des Seins.“ Etwa fünf Prozent der Menschen seien homosexuell. Der Anteil unter Geistlichen und Ordensleuten sei seiner Erfahrung nach höher. Warum tue sich die Kirche so schwer, diese Lebensvariante zu akzeptieren? Er ging auf die Bibel ein, wo sich kaum Passagen über Homosexualität fänden. Dennoch: Im Alten Testament übernachten zwei Engel in Lots Haus in Sodom, worauf die Sodomiter das Gastrecht verletzen. Außerdem: Vielen sei unbekannt, dass der beliebte Hochzeitsspruch „Wo du hingehst, will auch ich hingehen“ aus einer starken Frauenfreundschaft stammt. Nämlich aus der zwischen Naomi und Ruth im Alten Testament.

Wunibald Müller kritisierte die Abwertung der Homosexualität durch die Kirche. Das Wort Liebe komme in Zusammenhang mit der Homosexualität bei der Kirche nicht vor. Es werde immer nur von sexuellen Handlungen oder sexuellen Akten gesprochen. „Jemand, der homosexuell ist, ist genauso liebensfähig wie ein Heterosexueller.“ Er appellierte an die Zuhörer und an die Kirche, in der Homosexualität einfach nichts mehr Besonderes zu sehen. Wunibald Müller beschloss vor der regen Fragerunde, den Vortrag mit den Worten: „Stört die Liebe nicht.“

Artikel kommentieren