Neuburg
Hieroglyphen und historische Noten

05.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:32 Uhr

Stapelweise Bücher gehen über die Theke der Stabi in Neuburg, wenn Stammgäste ihr einen Besuch abstatten. Erhältlich sind über Fernleihe praktisch alle in Bayern vorgehaltenen Bücher – sofern sie nicht älter als 100 Jahre sind - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Ägyptische Hieroglyphen, die biologische Abbaubarkeit von Stärkefolien oder alte Noten. In der Staatlichen Bibliothek Neuburg, kurz Stabi, können sich Interessierte über die unterschiedlichsten Themen informieren.

Begonnen hat es mit der biologischen Abbaubarkeit von Stärkefolien. Die Naturwissenschaften, damals Gegenstand seiner Facharbeit, hat Patrick Weller längst hinter sich gelassen. „Chemie war bloß ein Ausrutscher in der Schule“, scherzt der 22-Jährige. Inzwischen studiert er Jura in Tübingen. Der Staatlichen Bibliothek Neuburg, vielen immer noch als Provinzialbibliothek bekannt, ist er aber treu geblieben. „Wenn wir Bücher brauchen, sollen wir uns an die Stabi wenden“, haben ihm die Lehrer des Descartes Gymnasiums damals gesagt. So fünf bis sechs Bücher hat er als Schüler jeweils mitgenommen. „Das war noch überschaubar“, meint Weller, „der Herr Robold wäre wahrscheinlich froh, wenn es heute noch so wäre“. Was Bibliotheksleiter Gerhard Robold heftig protestieren lässt: „Ganz im Gegenteil.“ Er freut sich über jeden Nutzer, über jedes ausgeliehene Werk.
 

Heute sind es 30 bis 35 Bücher, die der angehende Jurist Weller pro Hausarbeit benötigt. Bei sieben Hausarbeiten und einer Studienarbeit, die er abliefern muss, kämen Kosten von bis zu 5000 Euro auf ihn zu, wenn er die Bücher nicht ausleihen könnte. Der kostenlose Service, den die Bayerischen Staatsbibliotheken liefern, ist beileibe nicht selbstverständlich. In Tübingen gibt es an der Uni nur eine Präsenzbücherei. Aktuelle Werke werden stundenweise im Lesesaal zugeteilt, damit andere Studenten auch herankommen. Fernleihe ist an der Uni nicht möglich, und an den anderen öffentlichen Bibliotheken kostenpflichtig. So schreibt Weller seine Arbeiten während der vorlesungsfreien Zeit zu Hause in Neuburg. „Das ist ideal, ich bestelle die gewünschten Bücher und eine Woche später sind sie da“, erzählt er. Noch dazu bekommt er hier auch alle brandneuen Bücher nach Hause mit. „Einfach spitze“, findet er.

Wer einmal die Vorzüge einer Staatsbibliothek genossen hat, der bleibt ihr treu. Stefanie Haas (40) fiel es sehr schwer von Eichstätt nach Neuburg umzuziehen – nicht zuletzt deshalb, weil sie nur zehn Minuten Fußweg zur Bibliothek gehabt hatte. „Und dann bin ich hier ins Nachbarhaus gezogen“, erzählt sie lachend. Die Journalistin und Autorin nutzt das Angebot der Stabi beruflich. „Perfekte Arbeitsmittel“, findet sie hier, ob sie nun Familienthemen bearbeitet oder sozialempirische Texte schreibt. Meist bewegt sie sich in der gehobenen geisteswissenschaftlichen Literatur. Weshalb sie es höchst amüsant und fast ein wenig peinlich fand, als sie eines Tages freundlich von einer Stabi-Mitarbeiterin empfangen wurde: „Sie haben etwas in ihrem letzten Buch vergessen“. Woraufhin ihr zwei Shaun-Postkarten überreicht wurden. „Shaun, das Schaf – auf dem Niveau eines dreijährigen Kindes“, seufzt Haas bei der Erinnerung an die Karten, die sie als Geburtstagskarten gekauft hatte und dann eines Tages nicht mehr fand. „Was müssen sich die Mitarbeiter bloß denken“ fragt sie sich seitdem manchmal. Robold lächelt, schweigt sich über Details aus und meint, hier ginge nichts verloren.

Noch länger ist Peter Petersen den Staatsbibliotheken verbunden. „So ungefähr 50 Jahre“, schätzt er. Damals gab es in der Schule sogenannte Konzentrationstage, „mit lauter komischen Themen“, erzählt der heute 65-Jährige, der sich als 15-jähriger Schüler des Realgymnasiums in Augsburg mit so spannenden Aufgaben wie der „Entzifferung ägyptischer Hieroglyphen“ oder der „Geschichte der Augsburger Lokalbahn“ herumschlagen musste. Damals, so erinnert er sich, war die Augsburger Stabi in einem uralten Gebäude untergebracht und es gab ellenlange Schubfächer für die Karteikarten. „Katalogsärge“, nennt Robold die lachend. Während seines Pädagogikstudiums fand Petersen alles, was er brauchte, in der Unibibliothek, aber für sein Hobby, das Krummhornspielen ist er intensiver Nutzer der Neuburger Staatsbibliothek geworden. Von ihm stammen die unterhaltsamen Texte, die er als Moderator der Hofmusik bei deren Konzerten zum Besten gibt. Das Hintergrundwissen stammt zwar weniger aus der Stabi, dafür aber die Noten der Hofmusik. Auch die von Ehefrau Edith geleiteten Hoftänzer profitieren von Petersens Recherchekünsten. „Das wollen wir tanzen“, pflegt Edith Petersen der Bitte um Notensuche voranzustellen. „Eigentlich bin ich immer auf der Suche“, sagt der Volksschullehrer im Ruhestand. Was er zufällig findet, bekommt Hofmusikleiterin Nicola Kloss, die es sich anschaut und entscheidet, ob es sich für die Hofmusik eignet oder nicht. Oder die Petersens sind auf einem Seminar und lernen ein Stück kennen, das ihnen gefällt. Nicht immer gibt es die Noten dazu, manchmal erfahren sie nur den Titel und den Komponisten.

Noten leiht sich auch Autorin Stefanie Haas gerne aus. Zum Ausprobieren, denn Noten seien ein teurer Spaß, meint sie. Wenn sie dann weiß, dass sich das Stück für ihre Altflöte eignet, investiert sie gerne in eigene Noten.