Ingolstadt
Heroin in der Warnweste

24.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:09 Uhr

Ingolstadt (hri) Hat er Heroin "nur" konsumiert? Oder mit der harten Droge auch gehandelt und sie aus Holland eingeschmuggelt? Dieser Frage ging das Schöffengericht am Amtsgericht Ingolstadt gestern im Fall eines 33-jährigen Lentingers nach. Fahnder der Kriminalpolizei hatten den gelernten Schlosser, aber mittlerweile arbeitslosen Mann im vergangenen Juli mit einer zwar relativ geringen, aber hoch wirkstoffhaltigen Menge Heroin und etwas Kokain erwischt.

Verschiedene Indizien deuteten darauf hin, dass der Beschuldigte gerade aus den Niederlanden gekommen war. Die Ermittlungen mündeten in eine Anklage wegen Besitzes, Handels und Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
 
Bereits vorbestraft
 

Der Schlosser war den beiden 33 und 41 Jahre alten Zivilfahndern kein Unbekannter, als sie ihn in jener Juli-Nacht in seinem Auto sitzen sahen. Der Lentinger war schon zuvor wegen Rauschgiftbesitzes aufgefallen und einmal angehalten worden, als er unter Drogeneinfluss am Autosteuer gesessen war. Von da rührt auch eine Bewährungsstrafe her. Als die Polizisten den Mann kontrollierten, entdeckten sie nicht nur eine Spritze, die der 33-Jährige einstecken hatte. In der Tasche einer Warnweste im Kofferraum seines Autos fanden sie 7,58 Gramm hoch konzentrierten Heroins und 0,22 Gramm Kokain – eingewickelt in einen Zettel, auf dem die Autobahnroute nach Holland beschrieben war. Im Fußraum der Beifahrerseite stellten die Beamten außerdem einen Straßenatlas sicher, der genau auf der Seite aufgeschlagen war, die das deutsch-niederländische Grenzgebiet zeigt.

Rätsel um SMS

Der Angeklagte räumte den Besitz der Drogen gestern über seinen Verteidiger Günter Reisinger ein. Zu den weiteren Vorwürfen in der Anklageschrift äußerte er sich nicht. Eine Kurzmitteilung auf seinem Mobiltelefon an eine gewisse "Lena" ließ zwar den vagen Schluss zu, dass der 33-Jährige sie mit Rauschgift beliefert haben könnte, doch dem Mann daraus einen Strick zu drehen wäre "reine Spekulation" und juristisch nicht haltbar, wie Vorsitzender Richter Roland Walentin meinte. Die Identität des Mädchens oder der Frau hatte sich selbst über ihre Anschlussnummer nicht ermitteln lassen; sie gilt weiter als unbekannt.

So blieb auch die Frage unbeantwortet, ob der Lentinger irgend etwas mit dem Herointod eines 27-Jährigen zu tun hat, der am 8. Mai 2009 in Neuburg an einer Überdosis gestorben war. Der suchtkranke junge Mann hatte sich zwei Tage zuvor per Telefon an den Angeklagten gewandt, von seinen Entzugserscheinungen berichtet und um Hilfe gebeten. Kollegen des Opfers hatten damals noch beobachtet, wie der Schlosser den Neuburger mit seinem Auto von dessen Arbeitsstelle abholte. Ob der 33-Jährige ihm Heroin geliefert hatte, ließ sich nicht klären – und der Angeklagte selber äußerte sich nicht dazu. Am Ende plädierte selbst Oberstaatsanwalt Wolfram Herrle dafür, den Schlosser nur wegen Drogenbesitzes zu verurteilen.

Therapie begonnen

Das Schöffengericht verhängte unter Berücksichtigung des früheren Verfahrens eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung. "Wir haben ihm hoch angerechnet, dass er seit Januar aus eigenem Antrieb eine stationäre Therapie begonnen hat", sagte Vorsitzender Richter Walentin. Der Angeklagte hatte zuvor versichert, dass es ihm wirklich ernst sei, seine Rauschgiftsucht endlich dauerhaft zu besiegen.