Schrobenhausen
Helmut Zöpfl schickt ein Lächeln auf die Reise

Die Kolumne des beliebten Schriftstellers in unserer Zeitung

14.01.2021 | Stand 18.01.2021, 3:33 Uhr
Schriftsteller Helmut Zöpfl. −Foto: Petry

Zu meinen Lieblingsliedern gehört die schöne Weise mit den Anfangszeilen: "Nehmt Abschied Brüder, ungewiss ist jede Wiederkehr. Die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer." Unwillkürlich fällt mir diese Aussage zurzeit immer wieder ein, wenn ich Zeitung lese.

Gewiss, die Zukunft war immer von Anfang an etwas Ungewisses, etwas, was der Mensch nicht weiß. Von früh an hat er aber danach gestrebt, einen Blick in diese zu werfen, und bis heute nach Möglichkeiten gesucht, sie zu erkunden. Ich nenne nur einzelne Versuche. So befragten die Griechen beispielsweise das Orakel von Delphi. Eine Frau namens Kassandra, die dem Vernehmen nach in die Zukunft blicken konnte, hatte bekannterweise das Pech, dass man ihren schlimmen Vorhersagen nicht glaubte. Die Römer vertrauten auf ihre Auspizien und versuchten, sowohl aus der Beobachtung der Vögel, aber auch von Eingeweiden in Erfahrung zu bringen, was diese "Res futurae" genau sei.

Im Alten Testament spielt die Geschichte des Josef in Ägypten eine große Rolle, der aus seinen Träumen heraus dem Herrscher gute Tipps für die Zukunft gab und dafür entsprechend belohnt wurde. Eine ganz besondere Rolle spielten die Propheten, die mit Hilfe des Heiligen Geistes gültige Voraussagen machten. Von früh an spielt die Astrologie in den verschiedensten Kulturen eine ganz wichtige Rolle. Der Blick in die Sterne war ja zunächst nicht nur ein astronomischer, um sie zu erkunden, sondern in erster Linie ein Weg, in die Zukunft zu schauen.

Die Gestalten wie Nostradamus und Mühlhiasl genießen bis heute großes Ansehen. Auch in seriösen Zeitungen gehören Tages- Wochen- und auch Mondhoroskope zur täglichen "Information". Nicht nur Astrologie, die auch auf Fernsehkanälen angesiedelt ist, sondern auch Kartenlesen und so weiter werden immer wieder beliebter. Eine neue Wissenschaft ist auch mit der sogenannten Zukunftsforschung entstanden.

Zusammenfassend gilt meines Erachtens aber für alles, was sich mit dem Blick in die Zukunft befasst, die schöne Aussage: "Prognosen sind besonders schwierig, wenn sie sich mit der Zukunft befassen." Ohne nun zu behaupten, ein "zweites Gesicht" zu haben, stelle ich fest, dass ein Blick in die Zukunft, auch wenn wir sie nicht kennen, heute vielen größere Sorgen als noch vor Jahren bereitet und das Herz wirklich schwer zu machen scheint.

Viel trägt dazu wohl die Erfahrung bei, dass die Zukunft nicht zuletzt durch die anscheinende Schwerberechenbarkeit dieses stacheligen Virus' wirklich nicht durch ein paar Maßnahmen aus der Welt gesetzt wird. Alle daumenlang wechseln die Ansteckungszahlen und tritt irgendwo wieder ein neuer sogenannter Lockdown in Erscheinung. Kurz nach einer sogenannten Lockerung wird wieder eine Verschärfung der Maßnahmen gefordert, aufkommende Hoffnungsschimmer werden kurz darauf wieder erstickt und manche Prognosen, die sich bis weit hinein ins neue Jahr wagen, lassen die für manche wohl schmerzhafte Botschaft zu, dass auch das Oktoberfest 2021 nicht stattfinden wird.

Und was die Maskenpflicht anbetrifft, stellen sich viele Leute bereits darauf ein, dass sie, wie in schon einigen asiatischen Ländern, wo sie auch, zwar durch die Luftverunreinigung, eine große Rolle spielt, zur Dauerbegleitung werden wird. Manchmal habe ich die Befürchtung, dass sich manche bereits daran so gewöhnt haben, dass sie ein freundliches Grüßen oder auch ein Lächeln darunter als ohnehin nicht wahrnehmbar eingestellt haben.

Ja, ich befürchte in pessimistischen Stunden sogar, dass Corona meiner immer wieder propagierten Anregung, öfter ein Lächeln auf die Reise zu schicken, ein für alle Mal den Garaus bereitet. Ob Lehar angesichts der schon langzeitigen Maskenpflicht in China noch mal eine Operette "Land des Lächelns" hätte schreiben können?

Wenn ich also wieder in besagtes Lied einstimme, so nicht zuletzt deshalb, weil mit dem Verschwinden des Lächelns etwas zutiefst Menschliches, selbst wenn es nicht sichtbar werden sollte, stirbt. Im ersten Lächeln eines kleinen Kindes und im über spätes Glück lächelnden Gesicht eines alten Menschen zeigt sich das Ja zum Leben, Lächeln ist Freude und Ermunterung zugleich. Wie arm wäre die Geschichte der Menschen, wenn sie ohne ein Lächeln stattgefunden hätte. Lächelnd kann man auch mit einer Träne im Auge dem Leben zustimmen.

So kann ich nur hoffen und ermuntern, dass wir uns alle bemühen sollten, dass dieses Virus uns nicht nur keine gesundheitlichen Schäden zufügt, sondern vor allem nicht dieses Strahlen der Seele auslöscht. In der Kirche gab bis zur Corona-Krise am Ende des Vaterunsers der Priester die Aufforderung mit, uns als ein Zeichen des Friedens die Hand zu reichen. Unser lieber Pater Devis fügte noch, "bitte lächeln" dazu. Beides ist coronabedingt nicht möglich.

Deshalb muss aber unsere Zuwendung zu unserem Nachbarn nicht auch unterbleiben, damit wir trotz 1,5 Metern Abstand und Maske unsere Verbundenheit bekunden. Lassen wir uns also etwas einfallen wie eine Postkarte, einen Brief, einen Anruf, das vom Lächeln beflügelt ist, und sei es nur ein freundliches Zunicken, damit trotz einer ungewissen Zukunft uns und den anderen leichter ums Herz wird.

SZ