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Hauptplatz: Vom Ferkelmarkt zur Blechlawine

16.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr

Zur Debatte um die Verkehrsberuhigung auf dem Hauptplatz hat sich auch der Pfaffenhofener Autor Hermann Singer seine Gedanken gemacht - und einen Blick in die Geschichte von Pfaffenhofens guter Stube geworfen:

Der Pfaffenhofener Hauptplatz ist seit Bestehen Mittelpunkt von Handel und Gewerbe. Ein lebendiges Miteinander, auch ohne Konsumzwang. Ein Ort zum gemeinsamen Zusammenfinden. Wochenmärkte, Viehmärkte und Dulten mit ihrer Mischung aus Jahrmarkt und Antiquitäten waren seit dem Mittelalter die belebenden Elemente auf dem großen Platz. Die Bewohner der umliegenden Dörfer boten auf dem Markt ihre Erzeugnisse an. Seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde am Unteren Hauptplatz bereits der Ferkelmarkt abgehalten. Erst im Jahre 1969 verlegte man ihn auf den Volksfestplatz.

Christkindlmärkte, mit Einstimmung auf das große Fest. Der Geruch von Glühwein, man trifft sich, plaudert, trinkt ein Glas und vergisst den Alltagsstress, kirchliche Feste, Nachtflohmärkte, kulturelle Veranstaltungen aller Art und noch vieles mehr belebt den Hauptplatz über das ganze Jahr.

Einen wesentlichen Anteil an dem geselligen Treiben in der Innenstadt hatte seit jeher der Wirtschaftsbetrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch sieben Wirtschaften rund um den Hauptplatz verteilt. Vier von diesen traditionsreichen Betrieben sind inzwischen aufgelöst.

Ein Wirtshaus ist ein Teil unserer gelebten bayerischen Kultur. Ein Ort der Begegnung. Mit ihrer Auflösung schwindet die für den Zusammenhalt so wichtige Geselligkeit und soziale Bindungen lösen sich auf. Ein Wirtshaus ist mehr als nur die Ausgabe von Speisen und Getränken. In der Gaststube stand der Stammtisch. Politik wurde gemacht, Neuigkeiten ausgetauscht. Es wurde Karten gespielt. Der Frühschoppen am Sonntagvormittag. Geburtstage und Hochzeiten wurden gefeiert und vieles mehr.

Als mit dem industriellen Zeitalter im 19. Jahrhundert die große Zeit der Vereinsgründungen begann - zur Pflege von Bildung, Kunst und Kultur - trafen sich die Vereine in den Nebenräumen der Gastwirtschaften. Beim Müllerbräu saßen die Fußballer des FSV. Der Schachklub trug dort seine Turniere aus. Ein paar Häuser weiter, bei der heutigen Raiffeisenbank, stand die Brauerei Amberger. Domizil des MTV und der Liedertafel. An der Ecke zur Ingolstädter Straße die Sigl-wirtschaft, eine beliebte Musikkneipe mit bekannten Künstlern und Bands. Beim Bortenschlager, der einem Bekleidungshaus Platz machte, werden viele Erinnerungen wach. Vor allem bei dem Bortenschlager-Saal, mit einer umlaufenden Galerie und einer großen Bühne. Theater wurde gespielt, viele namhafte Künstler traten hier auf. Weihnachtsfeiern, Chorkonzerte und vor allem die närrische Zeit. Der Bortenschlager Saal war die Hochburg im Pfaffenhofener Fasching. Die meisten Vereine luden damals zu ihren Faschingsbällen - die Sportvereine MTV und FSV, die Laienspielgruppe. Auch die SPD tanzte beim Bortenschlager. Die Isar-Amperwerke feierten in Maske mit ihren Angestellten. Der Schwarz-Weiß-Ball der Liedertafel. Die Kapelle Amor lud zu ihrem berühmten Piratenball und noch viele mehr. Der Saal wurde 2001 aufgelöst, seitdem findet man in der Stadt keinen Ersatz. Auch in anderen Wirtschaften spielte die Musik zum Tanz. Beim Müllerbräu traf man die Egerländer-Gmoi. Die Liedertafel hielt beim Amberger ihre maskierte Probe, mit Tanz und reichhaltigem Programm. Das Café Hipp lockte mit einem Faschingstreiben. Und im Café Herb war jedes Wochenende im Fasching Tanz.

Das alles gehört der Vergangenheit an. Sportgaststätten, eigene Vereinsheime binden heute ihre Mitglieder und Gönner. Immer mehr ausländische Küchen finden ihre Liebhaber.

Im Laufe der 1950er Jahre begann die Massenmotorisierung, die ihr Ende längst noch nicht erreicht hat. Als dann Jahre später ein Großteil der Verkaufsflächen in riesigen Gewerbegebieten außerhalb des Zentrums erbaut wurden, führte das zum allmählichen Niedergang des Einzelhandels. Die gestiegene Mobilität führte zu einem veränderten Kaufverhalten der Kunden. Man ist heute nicht mehr an den Einkauf in der Innenstadt gebunden. Fernsehen und Internet prägen zusehend die Freizeit der Menschen. Man shoppt heute lieber bequem zu Hause am Laptop, lässt sich die Pizza frei Haus liefern. Und der wachsende Online-Handel wird die Innenstadt weiter verändern. Die Belebung des Hauptplatzes, um Handel, Kultur, und Tourismus aufrecht zu erhalten, damit das Schaufenster-Shopping - das Anfassen und Ausprobieren - trotz Online-Handels wieder Aufschwung gewinnt, wird zu einer großen Herausforderung für die Kommune.

Die Parksituation und der ständige Durchgangsverkehr spielen dabei eine wesentliche Rolle. Nicht minder trägt das Flair der Stadt mit ihrem noch teilweise historischen Stadtkern, mit attraktiven Fassaden, mit schön gestalteten Plätzen und Grünanlagen dazu bei, den Wohlfühlfaktor zu steigern.

Als man in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg begann, die urbane Tradition auszulöschen und dem ehrwürdigen Hauptplatz ein neues Gesicht zu verpassen, war das der falsche Weg. Die begangenen Fehler sind leider nicht mehr rückgängig zu machen. Doch sollte man für die Zukunft bei neuen Projekten auf die Erhaltung des baulichen und kulturellen Erbes achten.

Hermann Singer

Pfaffenhofen