Brüssel
Halbherzige Hilfe für Theresa May

Die EU schreibt einen diplomatischen Brief mit Klarstellungen zum Brexit - doch hinter den Kulissen rechnet Brüssel mit einem Scheitern

14.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:38 Uhr
Eric Bonse
Anti-Brexit-Demonstrant vor dem Parlament: Symbol der Ablehnung ist eine Maske mit den Sternen der Europa-Flagge. −Foto: Ireland/dpa

Brüssel (DK) Vor der entscheidenden Abstimmung zum Brexit-Vertrag heute in London hat die EU nochmals versucht, der britischen Premierministerin Theresa May zu helfen und den Streit um den "Backstop" für Irland zu entschärfen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker veröffentlichten dazu gestern in Brüssel einen diplomatischen Briefwechsel mit May.

Man werde alles dafür tun, um den umstrittenen "Backstop" - der ganz Großbritannien dauerhaft an die EU binden könnte - nicht einzusetzen, betonten Tusk und Juncker in dem fünfseitigen Schreiben. Sollte der Austrittsvertrag von London wie geplant ratifiziert werden, so werde die EU sofort die noch ausstehenden Verhandlungen zu einem Partnerschaftsvertrag mit Großbritannien einleiten.

Allerdings rückt die EU keinen Millimeter von dem - weitgehend von Brüssel diktierten - Vertragstext ab, der im November verabschiedet worden war. Sie lässt auch keinerlei Bereitschaft für einen "Plan B" erkennen, der May doch noch eine Mehrheit für einen geordneten Austritt sichern könnte. Die viel gerühmte "Kultur des Kompromisses" kommt beim Brexit nicht zur Geltung.

Man muss schon Jurist oder Insider sein, um überhaupt Bewegung auf der EU-Seite auszumachen. So verweisen Tusk und Juncker spitzfindig darauf, die Zusicherungen zur Nordirland-Frage hätten "einen rechtlichen Wert". Damit bauen sie May eine goldene Brücke für ihren Machtkampf mit der nordirischen DUP, die den Brexit-Deal ablehnt.

May wiederum betont, dass auch der Brief aus Brüssel Rechtskraft habe. Sollte es später einmal Probleme mit dem Austrittsabkommen geben, könne sich London darauf berufen. Allerdings dürfte dies kaum reichen, um die Gegner des Brexit-Deals im britischen Unterhaus zu überzeugen. Selbst in Brüssel macht man sich keine Illusionen.

Sowohl in der EU-Kommission als auch im Ministerrat geht man davon aus, dass May bei der Abstimmung heute scheitert. Bei wenigen Gegenstimmen könne May noch eine zweite Abstimmung wagen. Die EU würde dann auf sie warten und zur Not auch den Brexit-Termin (bisher 29. März) verschieben. Bei einer harten Abfuhr für May werde jedoch eine neue Lage entstehen, so ein Insider. Dann könne es auch zum "Exit vom Brexit" kommen.

So oder so: In einem offenen Brief appellierten Europa-Abgeordnete an die britischen Abgeordneten, den Ausstieg Großbritanniens noch einmal zu überdenken. "Unsere Herzen und unsere Türen sind offen", sagte der CDU-Abgeordnete Peter Liese. Auch Ratspräsident Donald Tusk hat sich in der Vergangenheit bereits wiederholt für einen Verbleib der Briten in der EU ausgesprochen.

 

Eric Bonse