Karlsruhe
Härtere Strafe wegen Massaker in Ruanda

BGH verwirft Urteil gegen Ex-Bürgermeister – Dem Angeklagten droht nun lebenslange Haft

21.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Karlsruhe (AFP) Einem Mittäter des Völkermordes in Ruanda im Jahr 1994 droht in Deutschland lebenslange Haft. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in einem gestern in Karlsruhe verkündeten Urteil, der Mann habe aktiv an einem Massaker mitgewirkt und nicht nur Beihilfe geleistet.

Nun muss das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt erneut entscheiden. Der BGH bekräftigte zugleich die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Völkermorde durch Ausländer im Ausland.

Mit seiner Entscheidung hob der Bundesgerichtshof das Urteil des OLG auf. Es hatte den angeklagten Ruander Onesphore R. nach dreijähriger Verhandlung lediglich wegen Beihilfe zu 14 Jahren Haft verurteilt. Laut BGH ergibt sich aus der Beweisaufnahme des Oberlandesgerichts aber, dass der ehemalige Bürgermeister an den Morden beim sogenannten Kirchenmassaker von Kizigure vom 11. April 1994 aktiv als Täter beteiligt war. Nun droht ihm lebenslange Haft.

Dem BGH zufolge müssen die Beweise zu dem Massaker aber nicht nochmals erhoben werden. Es sei erwiesen, dass damals in der Kirche mindestens 400 Menschen, zumeist aus der Tutsi-Minderheit, mit Macheten, Lanzen, Knüppeln, Äxten oder Hacken „auf qualvolle Weise getötet wurden“. Der damalige Bürgermeister sei in die Organisation des Massakers bereits am Vortag eingebunden gewesen, habe mit seinem Auto weitere bewaffnete Hutu zum Kirchengelände gebracht und die Angreifer mit seiner Autorität als Bürgermeister zu Beginn des Massakers aufgefordert: „Fangt mit eurer Arbeit an.“ Dies belege, dass er Täter gewesen sei und sich nicht nur der Beihilfe schuldig gemachte habe, entschied der BGH.

Das Gericht fällte damit sein zweites Völkermord-Urteil auf deutschem Boden seit den Nürnberger Prozessen. 1999 hatte der BGH zum Völkermord in Ex-Jugoslawien entschieden, dass auch Verbrechen, die von Ausländern im Ausland an Ausländern begangen wurden, hier verfolgt werden können, wenn es einen „Anknüpfungspunkt“ ans deutsche Strafrecht gebe – wenn etwa der Täter in Deutschland lebt. So war es auch im jüngsten Verfahren: Der Ruander war im Jahr 2002 nach Deutschland geflüchtet, hatte erfolgreich Asyl beantragt und lebte bis zu seiner Festnahme unauffällig in Hessen.

Der BGH bekräftigte gestern die Zuständigkeit deutscher Gerichte. „Wir halten es für richtig“, dass solche Taten nach deutschem Recht hierzulande verfolgt werden können, sagte der Vorsitzender des 3. Strafsenats, Jörg-Peter Becker. Völkermord ist nach der Genfer Konvention vom Dezember 1948 „ein von allen Staaten zu verfolgendes Verbrechen“.