Oberhausen
Gigantische Tanks unter der Erde

Bei Neuburg sind bis heute geheime Mineralöl-Speicher aus dem Dritten Reich in Betrieb

17.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:15 Uhr

Beeindruckende Ausmaße haben die unterirdischen Tanks in Oberhausen bei Neuburg. Das Innere ist über eine dünne Leiter erreichbar. - Foto: Schanz

Oberhausen (DK) Eine rostige Leiter führt hinab in den unterirdischen Riesentank. Das spärliche Licht, das durch die schmale Luke dringt, wird von der Dunkelheit geschluckt. Der Geruch von Mineralöl erfüllt die kühle Luft und jedes Geräusch hallt hundertfach zurück.

Wenn der Reißverschluss der Jacke gegen die Leiter stößt, dröhnt es laut, als ob jemand mit einem Hammer auf Metall schlägt. Dann herrscht wieder Stille.

Am Fuß der Leiter angekommen greift Werner Hermann nach seiner Lampe. Der Betriebsleiter des TanQuid-Lagers Oberhausen ist einer der wenigen Menschen, die Zugang zu dem unterirdischen Speichersystem haben. Wenn er den Scheinwerfer anschaltet, wird das ganze Ausmaß des Tanks deutlich: 45 Meter lang ist der Zylinder, mit einem Durchmesser von zehn Metern und einem Fassungsvermögen von 3333 Kubikmetern. Die zehn Millimeter dicken, massiven Stahlwände werden von einer ein Meter starken Betonummantelung geschützt. Bis zu drei Meter tief liegt der Koloss unter der Erde – erbaut 1938 und bis heute in Betrieb. „In dieser Bauweise wäre ein solcher Tank heute nicht mehr finanzierbar“, sagt Hermann.

Doch die 1930er Jahre waren eine andere Zeit. Die Nationalsozialisten ließen über eine im Reichswirtschaftsministerium gegründete Tarnfirma, die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH, kurz Wifo, in ganz Deutschland Tanklager errichten, um die Rohstoffversorgung der Kriegsmaschinerie zu sichern – so auch in der Nähe von Neuburg an der Donau. Der sandige Boden im Wald bei Oberhausen war ein idealer Standort. Auf 190 Hektar verteilt, eingegraben in die Erde, getarnt von Nadelbäumen und vernetzt durch unterirdische Rohrleitungen überstand der Großteil der Tanks auch die Bombenangriffe im April 1945. Nach der deutschen Kapitulation nahmen die Alliierten den Oberhausener Komplex in Beschlag. Die Briten wollten das Lager sprengen, doch die Amerikaner nutzten es weiter, bis es 1949 in den Besitz der neu gegründeten Bundesrepublik überging. Später privatisiert, kaufte 2007 die Duisburger Firma TanQuid den Komplex.

Ergänzt durch zwei neue, überirdische Tanks mit einem Fassungsvermögen von je 10 000 Kubikmetern, sind 60 der alten Tanks bis heute in Betrieb. Die 103 000 Kubikmeter Gesamtlagerkapazität befüllen die elf Mitarbeiter in Oberhausen zu drei Prozent mit chemischen Produkten – den Rest mit Mineralöl. Bis 2006 versorgte man auch die Luftwaffe mit Kerosin, seither nur noch die zivile Luftfahrt. Die Neuburger Firma Hoffmann Mineral lagert chemische Produkte ein. Der größte Kunde ist aber der Erdölbevorratungsverband (EBV), der Deutschland für 90 Tage unabhängig von Erdöllieferanten machen soll. Reserven im ganzen Land dienen als eine Art Puffer: Sollte die Zufuhr unterbrochen werden, würde auch Oberhausen angezapft.

Bei den riesigen Mengen Mineralöl wäre ein Unfall verheerend. Der Oberhausener Komplex gilt deshalb als Störfallbetrieb und wird streng überwacht: Alle fünf Jahre wird die umliegende Öffentlichkeit über das richtige Verhalten bei Notfällen informiert. Die Anlagen werden jedes Jahr betriebsintern und vom TÜV mit speziellen Dichtheitsprüfungen kontrolliert. Werner Hermann beruhigt: Selbst bei einem Leck im Stahl sei immer noch ein Meter Beton zwischen Tank und Erdreich. Ängste seien also unbegründet: „Wir wollen vertrauenswürdig sein“, sagt Hermann, nachdem er die 13 Meter hohe Leiter ins Tageslicht hinaufgeklettert ist.