München
Getanzte Hoffnung

Das „Alvin Ailey American Dance Theatre“ begeistert im Deutschen Theater München – Aufführungen bis Sonntag

23.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:36 Uhr

München (DK) Standing Ovations am Schluss – prompt eine kleine Zugabe – und dann war der Jubel nur durch Schließen des Vorhangs im Deutschen Theater zu beenden: Auch bei seinem diesjährigen Gastspiel begeisterte das „Alvin Ailey American Dance Theatre“.

Dabei begann der Abend mit einer gelinden Enttäuschung. Ronald K. Browns „Four Corners“ will tänzerisch eine mystische Vision erwecken: Vier Engel halten an vier Ecken der Welt die vier Winde fest, und zum Song „Lamentations“ suchen Menschen nach einem friedlichen Leben. Im rauchig dunklen Raum waren jedoch weder Engel noch Winde klar charakterisiert. In rhythmisch schön bewegter Mischung aus afrikanischem und Modern Dance schien eine vielfach wechselnde Gruppe von farbigen Menschen nach Friede und Freude zu suchen: gefällig, aber nicht mehr.

„Exodus“ – der Titel des zweiten Stücks weckte vielerlei Assoziationen. Choreograf Rennie Harris zielte auf den Weg der Menschen aus dunkler Unwissenheit und unreflektiertem Trott – aus „unremembered dreams“ hin zu Helligkeit des Denkens, ja zu Erleuchtung. Zu einer reizvollen Mischung aus Gospel und House zog da diagonal eine Gruppe von Menschen mit mühseliger Gestik und Körpersprache wieder und wieder durch den Raum. Ein Hüne schälte sich in kraftvoll geschmeidigen Bewegungen heraus – Jamar Roberts, der Bodybuilding-Wettbewerbe gewinnen könnte, aber auch eine sanft-wuchtige Unbeirrbarkeit an die hinter ihm Schwächeren und Zweifelnden ausstrahlte. Erst Jamar, dann zunehmend viele, schließlich alle fanden zu aufhellender Musik in weißen Hosen oder Kostümen auch zu entschiedener Vorwärtsbewegung. Doch in das schon hoffnungsvolle Ende knallte ein Schuss, und Jamar fing den Toten vor ihm auf – in Fortführung der oft politischen Anklage von Alvin Aileys Arbeiten beschwor also auch Choreograf Harris blitzartig die aktuelle Problematik in den USA.

Yannick Lebrun ist ein anderer farbiger Star des Ensembles, einer mit phänomenaler Beweglichkeit und unglaublicher Leichtigkeit. In den vier Minuten von Sheila Chandras „Takademe“, in dem sie Scat-vocal-artig den Titel in mal langsame, normale und irre rasante Silben zerlegt und nur zweimal ruhend tiefes Ausatmen gestattet, setzte Lebrun diese Zerlegung des indischen Kathak-Tanzes in einen atemberaubenden Bewegungs-Dreh-Spring-Wirbel aller vier Gliedmaßen samt Kopf um – eine ursprünglich auf engstem Raum im Wohnzimmer entstandene Choreografie Robert Battles, die schon zum Klassiker geworden ist. Frenetischer Jubel.

Zum Ausklang dann Aileys „Revelations“ mit der anfangs noch bedrückten Hoffnung auf den erlösenden „Sonntag“. Das Mittelstück „Sinner Man“ lässt drei elegante Typen einer Rettung aus ihren Sünden nachrennen und springen: Ihre expressive Verzweiflung würde der politisch denkende Ailey heute den korrupten Eliten weltweit zuordnen. Doch Jamar Roberts führte in „Wade in the Water“ schwungvoll durch die reinigenden Wasser-Stoffbahnen, und so endete alles in einer sonnendurchglühten, überbordend fröhlichen Gemeinschaftsfeier: 1960 umjubelt uraufgeführt, 1968 die Olympischen Spiele eröffnend, bei den Amtseinführungen der Demokraten Jimmy Carter und Bill Clinton gespielt… in Zeiten eines Donald Trump eine künstlerisch ungebrochenen Optimismus verstrahlende Hoffnung auf „Offenbarung“ – Tanzkunst als „Dennoch“ und „Trotz alledem“.

Aufführungen bis Sonntag. Infos unter www.deutsches-theater.de. Karten bei den DK-Geschäftsstellen.