Geschichten aus dem Orbit

02.07.2008 | Stand 03.12.2020, 5:47 Uhr

Manching (hl) Vor 18 Jahren donnerte er noch selber in Testmaschinen der Manchinger WTD 61 über die Region, später war ihm das nicht mehr genug und er strebte im wahrsten Sinne des Wortes nach (noch) Höherem: Gleich zwei Mal ist Thomas Reiter (50) in den Erdorbit geflogen, war als Astronaut der europäischen Raumfahrtagentur ESA 1995/96 zunächst an Bord der russischen Weltraumstation "Mir" und 2006 nochmals fast ein halbes Jahr Angehöriger der ISS-Besatzung.

Der vormalige Bundeswehrpilot (flog Alpha Jet und Tornado), nach seiner Astronautenzeit inzwischen Vorstandsmitglied des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), hat gegenwärtig die längste Weltraumerfahrung aller europäischen Astronauten. Womöglich ist er auch einer der publikumswirksamsten Vertreter seiner Zunft, denn der prägnante und zugleich unterhaltsame Vortragsstil des gebürtigen Frankfurters kommt allenthalben gut an. Nachdem er gestern am frühen Nachmittag die Manchinger Flugzeugtester über seine Orbitalflüge informiert hatte, war er später noch Gast des Jahreskongresses der Initiative "Zulieferer Innovativ" im Ingolstädter Audi Forum. Sein Thema dort: "Potenziale für Technologietransfer aus der Raumfahrtforschung".

Reiter verstand es in Manching meisterhaft, seine persönlichen Eindrücke von Starts und Landungen mit dem amerikanischen Spaceshuttle und der russischen Sojus-Kapsel sowie aus der Alltagsarbeit als Wissenschaftsastronaut mit Informationen über den allgemeinen Stand der internationalen Raumfahrt und über ihre künftigen Ziele zu verbinden. Die WTD-Mitarbeiter erfuhren so manches Detail über Weltraumspaziergänge (Reiter arbeitete auch sechs Stunden außerhalb der ISS) und russische Andockmanöver ("Da scheppert die ganze Station") sowie über Grundlagenforschung in den Weltraumlaboratorien. Auch dass er sich als Proband für medizinische Experimente nicht immer höchst geschickt angestellt hat, sparte der Ex-Astronaut nicht aus.

Reiter gab klar seine Sympathien für eine eigenständige bemannte Raumfahrt der Europäer zu erkennen. Er halte die gegenwärtige Generation der Ariane-Rakete für ausgereift genug, später auch Kapseln mit Raumfahrern zur ISS oder zu anderen Stationen zu befördern, sagte der DLR-Mann. Dies mache insbesondere vor dem Hintergrund Sinn, dass die US-Shuttles in wenigen Jahren ausgemustert werden und dann zunächst ausschließlich die Russen über ein ausgereiftes Zubringersystem zur ISS verfügen werden.