Gepflegte Langeweile schafft Selbstbewusstsein

27.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:48 Uhr

Die Reifezeugnisse in der Hand "traten" die Abiturienten abschließend zu einem gemeinsamen Ständchen in der Aula an. Fast jeder vierte der 100 Absolventen erreichten einen Einser-Schnitt. - Foto: r

Neuburg (r) Die Hundertschaft trat in Anzügen und Sommerkleidern an, um ihre Reifezeugnisse entgegenzunehmen. Das Neuburger Descartes-Gymnasium verabschiedete am Freitag stimmungsvoll seine Abiturienten – 100 junge Frauen und Männer aus der Kreisstadt und ihrem Umland. Oberstudiendirektor Franz Hofmeier sprach von einem "vorzüglichen Jahrgang".

Nicht nur der Blick auf die lange Bestnotenliste rechtfertige diese Einschätzung. Die Absolvia 2008 beeindruckte den Chef mit einer fröhlichen und aufgeweckten Art plus Lernbereitschaft. 23 Einser-Durchschnitte sprechen für sich. Die Besten nahmen Preise entgegen: Anna Lang, Theresa Zeilmann, Gian-Marco Kokott (jeweils 1,1), Christian Lederer (1,2), Sabrina Löffler, Dominik Strobl (jeweils 1,3), Martin Nagl, Jens Sacher (je 1,4) und Stella Lindner (1,5). Theresa Zeilmann schaffte die Hochbegabtenprüfung in München.

Einer der erfolgreichen Absolventen vertraute dem Direktor an, dass er "zeitweise Langeweile" an der Schule empfunden habe. Das müsse kein Nachteil sein, antwortete Franz Hofmeier. Langeweile schaffe die Möglichkeit zur Selbstreflektion und gebe Freiraum "für die Anbahnung sozialer oder gar amouröser Bindungen innerhalb einer Lerngruppe". Langeweile fördere das Denken wacher Geister. Und ein solches zur Kreativität führendes Angebot an Langeweile biete eben nur das Gymnasium.

Der Schulleiter machte sich vor 400 Eltern, Lehrern und Schülern über die "um Nachhaltigkeit heischende Flachbildbildung" mit high speed und power point lustig. Traditionelle Geistesbildung verliere dagegen niemals ihren Wert. Auf diese Grundlage könne man aufbauen, Wissen und Können erweitern und oberflächlichen Tendenzen in der Gesellschaft widerstehen. Vielleicht werde der eine oder andere Abiturient bei Klassentreffen später bedauern, so Hofmeier, dass er das Angebot seiner alten Schule nicht konsequenter genutzt habe. Vielleicht sage man auch: "Ich war noch ein G9ler". Dann spräche man von einem Qualitätsmerkmal und nicht – wie derzeit oft – von einem Auslaufmodell. "Sie können mit einem gesunden Selbstbewusstsein auftreten, sofern Sie sich auf das Bildungsgut des Gymnasiums eingelassen haben", sagte der Direktor des Descartes-Gymnasiums den Abiturienten. Er wünscht sich von ihnen, dass sie sich des Wertes ihrer gymnasialen Bildung bewusst werden "und den Ramponierern dieser Bildung beherzt in den Weg stellen".

Weniger forsch sieht Angelika Habelt die Gegenwart der jungen Entlassschüler. "Genießen Sie den Augenblick", empfahl die Elternbeiratsvorsitzende in einer einfühlsamen Rede den Absolventen, die einen "wichtigen Mosaikstein im Bild des Lebens" erreicht hätten. Kathrin Regnat und Martin Habermeyer erzählten ihren Zuhörern in abwechslungsvollem Dialog vom Schwitzen über Facharbeiten und Prüfungen. Betreuer und andere "gute Geister" der Schule beehrten sie mit Blumensträußen, klagten aber auch über mangelnde Objektvität einiger Lehrer.