„Genau so wie damals, im Frühjahr 1922“

24.03.2009 | Stand 03.12.2020, 5:06 Uhr
Auf dem Weg zum Tatort: eine Gruppe von Laiendarstellern bei den Dreharbeiten für eine Hinterkaifeck-Dokumentation. −Foto: oh

Hinterkaifeck (DK) Ganz früh aufstehen hieß es heute für die bei einem Casting des DONAUKURIER ausgewählten Laiendarsteller: Morgens um sechs fiel die erste Klappe für den ZDF-Film über den Sechsfachmord in Hinterkaifeck - ganz in der Nähe des längst abgerissenen Einödhofes im Gemeindegebiet von Waidhofen.

Dabei hatte es bei der Kos-tümprobe eigentlich noch geheißen: Drehbeginn am Dienstag, 6 Uhr. Was das in Wirklichkeit bedeutet, zeigte sich dann allerdings am Montagabend. "Wir erwarten Sie morgen früh um 4.30 Uhr in Hinterkaifeck, Eybergstraße 11 b", teilte Annika Hoch von der Produktionsfirma Securitel mit. "Wissen Sie, wo das ist" Welche Frage, wenn man die Gegend kennt. Wenn man weiß, dass es in dem nicht einmal 100-Seelen-Dorf bei Waidhofen (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) neben der Ortsdurchfahrt von Brunnen nach Waidhofen nur zwei weitere Straßen gibt. Irritierender ist da schon die Zeitangabe, die nach kurzem Überlegen die Weckzeit von 2.45 Uhr ergibt. Unter Berücksichtigung von Duschen, Kaffeetrinken und einer Fahrzeit von sicherheitshalber einer Dreiviertelstunde von Ingolstadt nach Hinterkaifeck, weil man irgendwann während der Nacht noch mitbekommen hat, dass es geschneit hat.
 
Einleuchtend ist die frühe Stunde dann aber doch, denn zuerst einmal geht es um Kostüm und Maske. Und das braucht seine Zeit. Kostümbildnerin Esther Walz und Garderobiere Michaela Wenzelidis verpassen den Laiendarstellern, die über ein Casting beim DONAUKURIER gefunden wurden, originalgetreue Anzüge, Uniformen und Gewänder, wie man sie Anfang der 1920er-Jahre getragen hat: einen schwarzen Anzug für den Bauernbürgermeister, einen schwarzen Mantel mit Pelzkragen für den Staatsanwalt, und so weiter, und so weiter. Nur gut, dass die meisten Stoffe so dick sind, dass sie einen einigermaßen wärmen an diesem bitterkalten Spätmärz-Morgen.
 
An dem es dann sehr zur Freude von Regisseur Kurt Hieber und Regieassistentin Gesine Blanke sowie Kameramann Björn Kurt auch noch zu schneien beginnt. "Genauso wie damals, im Frühjahr 1922", sind alle begeistert. Während die Darsteller in der im wachsenden Tageslicht zunehmenden Kälte durchblutungsfördernd von einem Bein aufs andere treten. Und Maskenbildnerin Katharina Schultz noch die Reste so mancher bereits am Samstag gekürzten Haarpracht zurechtzupft.
 
Der Produktionsleiter von Securitel, die in erster Linie "Aktenzeichen XY ungelöst" dreht, ist warm eingepackt. Und trotzdem fröstelt es Alex Amann bei dem Gedanken "und was, wenn es nächste Woche" – dann wird auf einem Bauernhof in Handzell bei Pöttmes (Landkreis Aichach-Friedberg) weitergedreht – "keinen Schnee gibt". Die Antwort darauf gibt Kurt Hieber: "Dann müssen wir halt welchen rankarren." Da wird es dem Produktionsleiter unter seiner inzwischen schneebedeckten Wollmütze gleich noch ein bisschen wärmer.
 
Nach einem bisschen Wärme lechzt inzwischen auch die erste kleine Gruppe von Darstellern – der Staatsanwalt, der Bürgermeister von Wangen, Hundeführer (zwei echte von der Polizeihundestaffel München), Polizisten und Kriminaler –, die vielleicht schon ein Dutzend Mal über die kleine Anhöhe von Gröbern in Richtung des ehemaligen Einödhofes Hinterkaifeck zur Besichtigung des Tatortes hinaufmarschiert ist. Regisseur Kurt Hieber lässt die Kameraoptik wechseln. "Noch einmal bitte!" Ton läuft. Kamera läuft. Klappe! Danach eine andere Perspektive. Und nochmal.
 
Als nächstes die Szene, in der die Magd und ihre Schwester in der Einöde ankommen. Bei ihnen schneit es noch mehr. Indes sich all die anderen in einen Anbau auf dem Anwesen Schlittenbauer an der Eybergstraße geflüchtet haben. Immerhin hat es hier herinnen 14 Grad. Es gibt heißen Kaffee und Tee. Und es dauert nicht lange bis Konrad Schlittenbauer dazukommt. Sein Großvater Lorenz gehörte einst mit zu den Tatverdächtigen. "Aber im Gegensatz zu vielen anderen war er nie eingesperrt", erklärt der 70-jährige Bauer gleich einmal mit dem nötigen Nachdruck. Fügt aber gleichzeitig hinzu, "dass uns das alles heut’ eigentlich gar nicht mehr so recht interessiert". Als er dann aber doch davon erzählt, dass sein Vater damals als 16-Jähriger die Leichen von Hinterkaifeck gesehen hat und er in Zusammenhang mit dem vielen Geld, das auf dem Hof gefunden wurde, von "Waffenschiebereien" spricht, da lässt es alle im Raum ganz unvermittelt wieder schaudern.