Ingolstadt
Geheimkonto in Liechtenstein

49-jähriger Handwerksmeister steht wegen angeblich vorsätzlichen Bankrotts vor Gericht

30.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:31 Uhr

Ingolstadt (DK) Mit dem Vorwurf des vorsätzlichen Bankrotts sieht sich ein 49-jähriger Unternehmer aus Ingolstadt konfrontiert. Er soll bei Steuerschulden von 1,2 Millionen Euro kurz vor dem Insolvenzantrag für seinen Betrieb noch 200 000 Euro von seinem Auslandskonto auf das der Lebensgefährtin gerettet haben.

Der Fall ist, wie so oft bei Steuer- und Finanzangelegenheiten, sehr kompliziert. Und zudem ist er umstritten. Dem Schöffengericht unter Vorsitz des neuen stellvertretenden Amtsgerichtsdirektors Christian Veh steht in Ingolstadt ein vergleichsweise langwieriger Prozess ins Haus, der gestern zwar startete, aber gleich wieder bis Mitte September ausgesetzt wurde. Die Verhandlung wird dann neu gestartet, weil die viel beschäftigten Verfahrensbeteiligten nicht die dringend benötigten Fortsetzungstermine vor und in den großen Ferien zusammenbekamen. Also wird nach dem Schulstart gleich komplett und konzentriert durchverhandelt. „Es geht ja auch um Einiges“, wie Veh anmerkte.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft München II gegen einen 49 Jahre alten Unternehmer aus Ingolstadt wiegen schwer. Der Handwerksmeister soll für einen vorsätzlichen Bankrott seines Unternehmens verantwortlich sein. Wie Staatsanwalt Klaus Reichenberger aus der Anklage vortrug, war der Geschäftsmann wegen angeblicher Steuerhinterziehung verfolgt worden. Das Finanzamt hatte seine Steuerschuld auf 1,2 Millionen Euro geschätzt und das Verfahren bis zur Vollstreckung vorangetrieben. Zu holen sei aber kaum etwas gewesen, erklärte Reichenberger.

Der mutmaßlich säumige Steuersünder zahlte nur einen „Kleckerlesbetrag“ – obwohl doch noch ein größerer Batzen Geld vorhanden gewesen sein soll, der auf einem Konto bei der liechtensteinischen Landesbank lagerte: rund 200 000 Euro. Die hob der angeklagte Unternehmer im April 2011 ab und zahlte angeblich alles auf ein anderes Konto bei der Landesbank, das just eine Woche früher erst eröffnet worden sein soll. Es gehörte der 41-jährigen Lebensgefährtin des Unternehmers, die als mutmaßliche Helferin nun ebenfalls auf der Anklagebank des Ingolstädter Amtsgerichts sitzt.

Die gewaltige strafrechtliche Brisanz kommt in die Geschichte, weil der 49-jährige Handwerker einige Wochen nach der Banktransaktion zum Amtsgericht marschierte und dort den Insolvenzantrag für seinen Betrieb stellte. Das Auslandskonto und den Geldtransfer soll er dabei verschwiegen haben, wie Ankläger Reichenberger ihm vorwirft. Daraus ergibt sich der Vorwurf des vorsätzlichen Bankrotts.

Doch dem Insolvenzverwalter des Handwerksbetriebes entging die Extrakasse, die zur Insolvenzmasse zählen müsste, nicht. Ein gutes Jahr später, im Frühjahr 2012, stieß der Ingolstädter Anwalt auf das Auslandskonto. Die Erklärungsversuche des Angeklagten sollen zwischenzeitlich krude gewesen sein: Wo war das Geld von dem Konto hin? Eine Schenkung an die Lebensgefährtin? Für die Lebenshaltung ausgegeben? Den Großteil, rund 160 000 Euro, für einen mysteriösen Herrn Müller nach Asien transferiert, weil der angeblich von Chinesen bedroht worden sei? All das soll laut Staatsanwaltschaft schon genannt worden sein.

Vor Gericht schweigen beide Angeklagten übrigens bisher zu allen Vorwürfen. Dafür ergibt sich aus den Akten noch eine andere Version für den Wechsel des Geldes von einem Konto auf das andere, die von der Lebensgefährtin stammt: Sie habe die fast 200 000 Euro als Rückzahlung von Krediten von ihrem Freund erhalten. „Eine unwahre Behauptung“, sagt Staatsanwalt Reichenberger.

Einen Teil der Summe hat der Insolvenzverwalter, der an einem der Verhandlungstage im September aussagen wird, übrigens in einem Zivilprozess zurück in die Insolvenzmasse geholt. Nach einem Vergleich mit der beklagten 41-Jährigen am Landgericht seien rund 125 000 Euro geflossen. Die Gläubiger des insolventen Handwerksbetriebes verloren durch die vereinbarte Abgeltung aber rund 50 000 Euro, erklärte Reichenberger.

Weiteres Licht in die Liechtensteiner Konten zu bekommen, dürfte schwer werden. Ein Bankangestellter erschien gestern freiwillig vor Gericht. Doch die beiden Angeklagten entbanden ihn nicht von der Schweigepflicht, die ihm das Bankgeheimnis in Liechtenstein auferlegt. Das existiert zwar in Deutschland nicht, Richter Veh und Staatsanwalt Reichberger wollten den Bankenvertreter jedoch nicht zu einer Aussage zwingen, mit der er sich in seiner Heimat eben strafbar machen würde.

So endete der erste Tag mit nur wenigen Erkenntnissen in der Sache an sich. Klar ist aber, dass die Verteidigung die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft massiv anzweifelt. Der 49-jährige Angeklagte sieht sich offenbar in Teilen als Opfer der Finanzbehörden. „Es geht hier um seine Existenz, er wird sich stellen und kämpfen“, sagte sein Anwalt.