Pfaffenhofen
„Ganz viel Geld reinstecken“

Die SPD-Politiker Andreas Mehltretter und Ulrike Bahr schildern ihre Vorstellungen zur Familienpolitik

12.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:48 Uhr
Diskutieren über Familienpolitik: SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr und ihr Parteigenosse Andreas Mehltretter. −Foto: Paul

Pfaffenhofen (PK) Ihre Vorstellungen zur Familienpolitik kund taten am Dienstagabend im Hofbergsaal die Augsburger SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr und Andreas Mehltretter, sozialdemokratischer Bewerber fürs Parlament in Berlin, unter dem Motto „Mutter, Vater, Kind und Job…“.

Beim Konsum von Presse, Funk und Fernsehen erhält man derzeit zwar einen anderen Eindruck, der SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis 214, Andreas Mehltretter, aber ist der Ansicht, dass „über Familienpolitik in Deutschland viel zu wenig diskutiert wird“. Also bei weitem nicht so häufig „wie beispielsweise über Renten“. Dem sollte vor rund 15 Zuhörern an diesem Abend abgeholfen werden – gut eineinhalb Stunden lang.

Vorneweg die obligatorische verbale Verneigung vor dem Zeitgeist, die jüngst beschlossene „Ehe für alle“ lässt grüßen: „Für mich ist Familie da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Vom antiken Bild: Frau, Mann, Kind müssen wir uns verabschieden.“

Nachdem das Ideologische geklärt war, ging es ums Geld, also genau genommen ums Geld ausgeben. „Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein“, findet Mehltretter. Und dagegen lässt sich aus SPD-Sicht noch eine Menge tun. Neben den omnipräsenten kostenfreien Kitas, einer Entlastung kleiner Einkommen und einem familienkompatiblen Arbeitsmarkt bedeute das eine entsprechende Infrastruktur. Man habe viel erreicht – Stichwort Kindergeld, Elterngeld, Elterngeld plus, Familienpflegezeit, flexible Elternzeit etc. etc. –, „aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen“.

Wo das genau ist, das erörterte dann Ulrike Bahr, die auch Mitglied im Familienausschuss des Bundestags ist. Ein neues Familiengeld gehört da etwa dazu, flexible Arbeitszeiten, ein neues Wahlarbeitsgesetz, mehr Home Office und 100 000 neue Kitaplätze. Das klingt nicht nur teuer, das wird es auch, wie Ulrike Bahr fröhlich versprach: „Wir müssen da ganz viel Geld reinstecken.“

„Wie viel denn genau?“, wollte da ihr Parteifreund Markus Käser wissen. Als Stadtrat war er vor allem beim Punkt Gebührenfreiheit hellhörig geworden, das betrifft ja ganz konkret den Säckel der Kommunen. Antwort Bahr: Das müsse der Bund den Städten und Gemeinden erstatten. Käser, noch immer nicht ganz zufrieden: Wie viel das aber nun insgesamt ausmache – immerhin betrügen die Kitagebühren allein für die Kreisstadt rund 700 000 Euro im Jahr.

Eine konkrete Zahl zu nennen, das spürte man, war jetzt nicht das, was die Abgeordnete wollte, kam nun aber nicht mehr drum herum: „Ich sag mal: circa 20 Milliarden Euro im Jahr – das ist jetzt aber meine persönliche Angabe, das steht so nicht im Wahlprogramm.“

An dieser Stelle kam der Moment für eine Vertreterin der Praxis. Kathrin Maier ist Sachgebietsleiterin für Familie und Soziales in der Pfaffenhofener Stadtverwaltung. Von einer Gebührenfreiheit hält sie nicht viel. Denn was nütze den Eltern der schönste Kitaplatz, wenn es dort am nötigen Personal mangele. Solche Geschenke an die Bürger müsse am Ende das Personal ausbaden – etwa dadurch, dass die Betreiber den Betreuungsschlüssel erhöhen, um des zusätzlichen Ansturms an Kindern Herr zu werden.

Anschließend meldete sich ein älterer Genosse aus dem Publikum und meinte spöttisch, das Ganze käme ihm ein wenig vor wie „Wünsch Dir was“. Die Abgeordnete und der Kandidat müssten doch eine ungefähre Vorstellung davon haben, kritisierte er, wie viel die Versprechen denn nun genau kosten würden und woher das Geld genommen werden soll.

Ulrike Bahr – ihrem Gesichtsausdruck war anzumerken, dass sich die Diskussion nicht unbedingt in die von ihr geplante Richtung entwickelte – brachte die Verteidigungsausgaben ins Spiel, bei denen ja man künftig Steigerungen lassen könne. Wo genau und wie viel, das verriet sie allerdings nicht. Und Mehltretter ergänzte, dass man sich über exakte Finanzierungsmodelle ja auch dann noch Gedanken machen könne, wenn man – wovon er ausgehe – in Koalitionsverhandlungen eintrete. Hundertprozentig ließen sich die eigenen wahlprogrammatischen Vorstellungen schließlich ohnehin nicht in praktisches Regierungshandeln umsetzen.

Wie viele kaputte Gewehre der Bundeswehr also konkret nicht ersetzt werden können zur Subventionierung wie vieler beitragsfreier Kitaplätze wird also frühestens ab September dieses Jahres geklärt.

WOCHE  DER  ZUKUNFT

Vor der Diskussionsrunde hatte Mehltretter in einem Pressegespräch auch Auskunft gegeben zu seinen weiteren politischen Ansichten. So fordert er unter anderem höhere Investitionen in den die – marode – Infrastruktur (Straßen, Brücken), finanziert durch den Überschuss im Bundeshaushalt. Zusätzliche jährliche Ausgaben von circa 100 Milliarden sind nach Mehltretters Angaben dafür notwendig. Viel zu billig sind nach Mehltretters Ansicht derzeit Benzin und Diesel. Diese müssten in einem Maße bepreist werden, „wie sie die Umwelt schädigen“. Im Bildungssystem fordert der Bewerber beispielsweise eine stärkere Frauenförderung, darüber hinaus ein „anständiges Einwanderungssystem. Die Digitalisierung in Deutschland hätte erst dann ein vernünftiges Niveau erreicht, wenn man sich bei Übertragungsgeschwindigkeiten „im Gigabitbereich“ bewegt – und nicht wie aktuell bei 50 Mbit pro Sekunde. In seiner „Woche der Zukunft“ hat Mehltretter mehrere Veranstaltungen in der Region geplant – so etwa am Dienstag, 18. Juli, 19.30 Uhr, im Manchinger Hof in Manching zum Thema Datenschutz und am Donnerstag, 20. Juli, 19.30 Uhr, im Hotel Hallertau unter dem Titel „Wird es dem Hopfen zu heiß? Auswirkungen der globalen Erderwärmung auf Bayern und die Hallertau“. Weitere Termine, über die man sich auf der Homepage von Mehltretter informieren kann, finden im Raum Freising statt. | apl