Atka-Bucht
Fußball nur aus der Konserve

Antarktis-Überwinterer können Spiele erst 24 Stunden später sehen

22.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:21 Uhr

Atka-Bucht (DK) Es könnte der Stoff für eine nette Komödie sein: Eine Gruppe Fußballfans verpasste das Viertelfinale der deutschen Elf und kann es erst am Samstagabend sehen. Bis dahin heißt es: Augen und Ohren zu, bloß nichts mitbekommen vom Ergebnis.

Funktionieren dürfte das wohl nur an wenigen Orten auf der Welt. Einer davon ist die Neumayer-Station im ewigen Eis, wo momentan neun Überwinterer auf der deutschen Forschungsstation Neumayer III arbeiten. Noch bis Mitte Juli werden sie dort die Sonne nicht sehen.

Hinzu kommen eben die technischen Probleme, die das Fußballgucken zum Abenteuer machen. Weil es keinen Satellitenempfang für Fernsehprogramme auf dem Eckström-Schelfeis gibt, gibt es die Fußball-EM nur aus der Konserve.

„Wir müssen das Spiel erst via Online-Videorekorder downloaden“, sagt Stationsleiter und Arzt Christoph Möbius. Auch die Live-Übertragung via Internet erwies sich als unmöglich: Die Datenmengen passten nicht durch die vorhandene Satelliten-Standleitung. Das Runterladen geschehe deshalb in der Nacht, sagt Möbius, wenn die Leitung weniger von den ständigen Datenströmen in die Heimat ausgelastet sei.

Die Partie gegen Griechenland schauen sich die sieben Männer und zwei Frauen (vier Wissenschaftler, drei Ingenieure, ein Arzt und ein Koch) somit erst am Samstagabend an – auf einer Großbild-Leinwand im Wohnzimmer. In Deutschland fiebern die Fans dann schon beim Spiel Spanien gegen Frankreich mit.

Beim „Public Viewing“ im Eis gehe es ähnlich zu wie in den Wohnstuben zu Hause, versichert Möbius. Es wird geknabbert und getrunken. Nur beim Bier-Genuss hielten sich die Neumayer-Bewohner zurück, sagt der 39-jährige Arzt.

Die beste Stimmung und das spannendste Spiel sind aber wertlos, wenn man das Ergebnis schon vorher kennt. Deshalb achten alle Bewohner darauf, das Ergebnis nicht vorher über Telefon oder Internet zu erfahren. „Wir haben die meisten Freunde und Bekannten gebeten, sich uns gegenüber nicht zu verplappern“, schreibt Geophysiker Stefan Christmann im Internet-Blog der Überwinterer. Bei den Vorrundenpartien der deutschen Mannschaft habe das immer bestens funktioniert.

Zum zeitversetzten EM-Gucken treffen sich die Überwinterer übrigens nur zu den deutschen Partien. „Andere Spiele können wir nicht schauen, da über die begrenzte Satellitenstandleitung die wissenschaftlichen Daten Vorrang haben“, sagt Stationsleiter Möbius.