Thalmässing
Für den Liftboy ging es ganz nach oben

Streifen über Tankstellenüberfall bei Thalmässinger Kurzfilmtagen die Nummer eins Tayfun Bademsoy zu Gast

14.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:08 Uhr

Begeistert vom Festival und vom Gewinn der "Olga" zeigen sich die Preisträger in der vorderen Reihe, in der Mitte Siegerin Anne Heinze - im Hintergrund freuen sich die Veranstalter und Sponsoren mit den erfolgreichen Filmemachern. - Fotos: Leykamm

Thalmässing (HK) "Das ist mein erster Film und mein erster Preis!" Anne Heinze war sichtlich überrascht, als sie am Samstagabend für ihr Werk "Liftboy" zur Gewinnerin des ersten Preises bei den 23. Thalmässinger Kurzfilmtagen ausgerufen wurde. Im Gemeindezentrum Bunker kam ihr Streifen über einen Tankstellenüberfall beim Publikum am besten an.

Unter die Zuschauer mischte sich auch der bekannte Schauspieler Tayfun Bademsoy, der im zweitplatzierten Siegerfilm mitspielt. Er heißt "Yaqup" (von Yüksel Yolcu), genauso wie der geflüchtete Syrer, den der Profi mit viel Charme und Witz hier verkörpert. In seiner Rolle gewährt er einem gealterten Vater bei Regen Unterschlupf im Friseursalon. Der Film kam dabei übrigens kostensparend ohne Regenmaschine aus - ein Schlauch sorgte für die gleichen Effekte.

Der Mann will kurz vor dem Rentenalter mit seinem Sohn Kontakt aufnehmen, den er 30 Jahre nicht gesehen hat. Den Flüchtling hält der Senior für den Saloninhaber und stört sich auch nicht daran, dass er im Gespräch nur vier Worte spricht, weil er darüber hinaus kein Deutsch kann: Ja, nein, danke, bitte. Das wirft den, der in dem Geschäft "Asyl" gefunden hat, auf sich selbst zurück und er wagt den entscheidenden Schritt zur innerfamiliären Annäherung.

Erst als er sich bei Yaqup bedanken will, erfährt er dessen eigentliche Identität. Er hatte nur auf den Laden kurz aufgepasst, als der Chef weg musste. Das Schicksal des wortkargen Helfers bleibt offen. Er ist "weg", heißt es nur. Ohne moralischen Zeigefinger findet der Zuschauer so einen wohl ganz neuen inneren Zugang zu einem der drängendsten Themen unserer Zeit.

Bademsoy hat dabei entscheidenden Anteil, trotz der wenigen Worte entwickelt er eine beeindruckende Präsenz in dem Streifen. Voll lobender Worte war der unter anderem aus der Serie "Zwei Schlitzohren in Antalya" bekannte Schauspieler in Thalmässing selbst. "Das ist hier ein sehr sympathisches Festival mit tollem persönlichen Charakter", sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung, die auch den zweiten Preis der Kurzfilmtage sponsert.

"Die Liebe für unsere Kunst wird da sehr deutlich," zeigte er sich erfreut. Da lohne es sich auch, eigens für eine zweitägige Veranstaltung von Berlin nach Thalmässing zu fahren. Die Veranstaltung erlaube zudem einen guten Einblick in die Entwicklung der jeweiligen Hochschule. Beispielsweise in jene in München, die mit dem Zusatz "für Fernsehen und Film" versehen ist.

Diese Einrichtung besucht derzeit Anne Heinze, die eigens Teile eines Seminars schwänzte, um bei den Kurzfilmtagen dabei sein zu können. Doch sie wollte natürlich sehen, wie ihr Streifen hier beim Publikum ankommt. "Ein Film über geplatzte Träume, die Angst vor der Zukunft und die Chance - allen verpassten Gelegenheiten zum Trotz - doch noch etwas richtig Gutes zu machen." So heißt es über das Werk in der Laudatio, die der gastgebende Bürgermeister Georg Küttinger verlas, der auch die berühmte "Olga" (das hiesige Pendant zum "Oscar") an die Gewinnerin überreichen konnte.

In dem Zwölfminüter treffen ein Tankstellenverkäufer und seine ehemalige Lehrerin aufeinander. Die Seniorin ist verzweifelt und will durch einen Überfall das Geld für den Treppenlift ihres Mannes auftreiben. Als sie vermummt vor ihren ehemaligen Schüler steht, erkennt der sie natürlich erst nicht. Als er aber bemerkt, dass die Pistole nur eine Attrappe ist, fliegt alles auf. Er will erst die Polizei rufen, zeigt aber dann ein Herz für die Dame und demonstriert zudem, wie das Rauben richtig geht.

Beide fingieren gemeinsam das ohnehin geplante Verbrechen. Zwischendrin taucht urplötzlich ein echter Räuber auf, den die Lehrerin aber dank der neu erworbenen Fähigkeiten bravourös in die Flucht schlägt. Die Reaktionen auf den Film im Bunker, der an beiden Tagen wieder mit knapp 200 Gästen gefüllt war, ließen erahnen, dass hier gerade ein Favorit über die Leinwand flimmerte.

Aber auch die Qualität der anderen Filme beeindruckte. "Man merkt, dass die Abstimmung wieder einmal sehr schwer war", betonten Peter Hauke und Hans Seidl, Gründerväter der Veranstaltung und bis heute bewährtes Moderatorenduo. Als solches zeigten sie sich wiederum sehr angetan, dass zahlreiche Filmemacher persönlich anwesend waren, die Preisträger sogar allesamt. Im letzten Jahr taten sich hier doch große Lücken auf.

Die große Präsenz wiegt umso mehr, als dass es heuer einen Preis mehr als sonst zu vergeben galt. Die Riege der ersten drei machte indes der Film "Pix" von Sophie Linnenbaum komplett, die hier die über Generationen weitergetragene Lust am Fotografieren zu besonderen Anlässen aufs Korn nimmt. Erstmals gab es darüber hinaus nicht wie bisher einen Preis der Medienzentrale Eichstätt, sondern von der bayerischen Medienstelle: die Geburt der sogenannten "Horizonte-Preise".

Den ersten sicherte sich hier der Film "Fruit" von Gerhard Funk, der auf eigenwillige Weise die Schöpfungsgeschichte neu erzählt. Auf Rang zwei landete "Va Banque (Risky Game)" von Stefan Plepp. In seinem Streifen wird der Horizont einer Schülerin erweitert, die dem Schulleiter als Grapscher dastehen lassen will, falls er ihr nicht die erhoffte Note gibt. Doch der Rektor weiß noch erpresserischer dagegen zu halten. Nach zwei Abenden voller spannender und auch nachdenklich machender Kurzfilme sind sich jedenfalls alle einig über die hohe Qualität des Festivals.