Eichstätt
Frauen und Kinder schützen und stärken

Clara Schöpfel aus Eichstätt arbeitete ein halbes Jahr im Zentrum „Jipe Moyo“ in Tansania

08.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr
Lebensfreude trotz schlimmster Lebenserfahrungen finden die Kinder im „Jipe Moyo“-Zentrum in Musoma/Tansania dank der liebevollen Arbeit der Schwestern. −Foto: Kusche, Dagmar, Eichstätt

Eichstätt (EK) „Jipe Moyo“ – „Fass Dir Dein Herz“, diesen bedeutungsvollen Namen trägt ein bekanntes Kinder- und Frauenschutzzentrum in Musoma, im Norden Tansanias.

Hier setzen sich Schwestern des Ordens „Unbeflecktes Herz Mariens“ schon seit vielen Jahren für ein friedvolles Zusammenleben in einer von Gewalt und sozialer Ungerechtigkeit geprägten Region ein. Jipe Moyo war Ziel und Einsatzort der jungen Eichstätterin Clara Schöpfel, die sich 2016 nach ihrem Abitur am Gabrieli-Gymnasium für einen halbjährigen Aufenthalt in Tansania entschied.

 

Sonntagmorgen, 9 Uhr: alle Kinder des Jipe-Moyo-Centers stehen mit ihrer besten Kleidung bereit zum Kirchgang. Die Mädchen tragen bunte, selbst genähte Röcke, die Jungen gute Schuhe. Jedes Kind zeigt mit einem Jipe-Moyo-T-Shirt: Wir gehören alle zusammen. „Glaube erfüllt bei Jipe Moyo den tiefen Sinn, alle zusammenzubringen, niemanden auszugrenzen und das Fundament für eine starke Gemeinschaft zu legen“, erklärt Clara Schöpfel. Mit wie viel Gesang und Tanz die Gottesdienste in Tansania jeden Sonntag gestaltet werden und welche Begeisterung für den Glauben bei Alt und Jung dabei zum Ausdruck kommt, hat sie von Anfang an zutiefst beeindruckt: „Niemand kann sich dieser Freude entziehen, mit der die Kirche gefüllt ist.“

Sechs Monate, von Oktober 2016 bis Ende April 2017, erlebte Clara Schöpfel die umfassende Arbeit im Jipe-Moyo-Zentrum in der Diözese Musoma in der Mara-Region, im Norden Tansanias nahe des berühmten Viktoria-Sees. Für die selbstbewusste Abiturientin, die sich schon seit längerer Zeit intensiv für entwicklungspolitische Themen interessierte und bei einer missio-Veranstaltung in Eichstätt die bekannte Menschenrechtlerin „Mama Regina“ aus Tansania kennenlernte, war schon lange vor den Abiturprüfungen klar, dass sie nicht gleich studieren, sondern sich in einem außereuropäischen Hilfsprojekt sozial engagieren wollte – am liebsten in Afrika und mit Kindern. In der von missio unterstützten Nicht-Regierungsorganisation Jipe Moyo fand sie schließlich die ideale Einsatzmöglichkeit für einen Freiwilligendienst.

Viele der Kinder, die sie gerade sonntags so fröhlich erleben durfte, haben erst seit ihrer Aufnahme im Jipe Moyo-Zentrum wieder ihr Lachen zurückgewonnen: „In der Mara-Region gilt traditionell, dass Frauen weniger wert sind als Männer“, erläutert Clara Schöpfel. Frauen betrachte man als Einkommensquelle und als Besitz, über den frei verfügt werden könne. Die Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung, welche in vielen der in der Mara-Region lebenden Volksgruppen praktiziert werde, nehme Mädchen auf grausamste Weise ihre Würde. Viele von ihnen sterben an der menschenrechtsverachtenden Praxis. Nach der Beschneidung, die den Eintritt in das Erwachsenenalter markiere, würden Mädchen, häufig nicht älter als 13 Jahre, als heiratsfähig angesehen: „Sie werden wie auf einem Markt angeboten und müssen nach Verhandlung und Bezahlung des Brautpreises ihre Familie verlassen, um Ehefrau und Mutter zu sein, wozu sie weder physisch noch psychisch in der Lage sind,“ berichtet Clara Schöpfel. Mädchen und Frauen seien oft Opfer von sexuellem Missbrauch, Prostitution und Gewalt. Häufig sähen sich Betroffene in ihrer verzweifelten Lage allein gelassen: „Im Jipe Moyo-Zentrum finden die Mädchen Zuflucht vor ihren Peinigern, Geborgenheit und Unterstützung. Hier können sie Kraft sammeln für ein selbstbestimmtes Leben“, erklärt Schöpfel. Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Missbrauch – es sind Problemfelder, die unter die Haut gehen. Gibt es da nicht einen Hauch von Heimweh für eine junge Frau von 18 Jahren? Von Beginn an habe sie Jipe Moyo als ihre „kleine Insel“ in einer für sie völlig neuen Kultur empfunden: „Alle Menschen, die in das Zentrum kommen, werden mit großer Offenheit und Zuneigung an diesem Ort aufgenommen, der so viel Kraft ausstrahlt, neue Hoffnung schenkt und Kinder wieder Kinder sein lässt,“ beantwortet Schöpfel die Frage. Wie in einer großen Familie habe sie sich gefühlt, die sich gegenseitig schütze und einander mit Respekt und Liebe behandle – da könne Heimweh gar nicht erst entstehen.

Schnell hat die Eichstätterin überall mit anpacken dürfen, wo sie gerade gebraucht wurde: beim Englischunterricht in der zu Jipe Moyo gehörigen Kitenga-Schule, beim Tanzkurs, Einkauf oder beim Besuch von kleineren diözesanen Hilfszentren für Schutz suchende Mädchen und Frauen: „In Jipe Moyo dann mitzuerleben, wie Kinder heilen, sich öffnen und sich fern von Gewalt, Unterdrückung und Angst zu starken und selbstständigen Menschen entwickeln, hat mich zutiefst beeindruckt und berührt,“ erzählt Schöpfel.

Weiterkämpfen und die wertvolle Arbeit in Jipe Moyo auch in Deutschland noch bekannter zu machen – das hat sich auch Clara Schöpfel nach ihrer Rückkehr in Eichstätt zur Aufgabe gemacht. Sie versucht nun, Interessenten für die Näharbeiten der Mädchen von Jipe Moyo zu finden, besucht „Rückkehrer“-Seminare, um sich auszutauschen und zu erfahren, wie man das Zentrum weiterhin unterstützen kann. Das Thema der internationalen Entwicklungszusammenarbeit lässt die angehende Studentin, die im Wintersemester in Regensburg den Studiengang „International Relations & Management“ aufnimmt, ohnehin so schnell nicht mehr los. Derzeit absolviert sie sogar noch ein zweimonatiges Praktikum bei der Hilfsorganisation „Care“ in Den Haag/Niederlande und erhält dort Einblicke in die Arbeit einer international agierenden Nichtregierungsorganisation und deren Engagement für globale Armutsbekämpfung.

Aktiv arbeitet sie an der Organisation einer großen Veranstaltung zum Thema nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit mit, das auf die Auswirkungen des Klimawandels und immer unberechenbarerer Naturkatastrophen auf arme Bevölkerungsgruppen aufmerksam machen soll. Zeit für Urlaub gibt es erst einmal nicht.