"Festungsbau ist auch Psychologie"

06.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:51 Uhr

Großer Andrang im Fort Prinz Karl: Der Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Festungsbau ist vollständig erhalten und für die Öffentlichkeit nur selten zugänglich. - Fotos: Pehl

Ingolstadt/Großmehring (DK) Das Fort Prinz Karl bei Großmehring und die Friedenskirche in Manching waren am Freitagnachmittag die Stationen der Architekturwoche. Thema sind die Festungsbauten in und um Ingolstadt.

Als ein "deutschlandweit einmaliges Bauwerk" bezeichnete Ernst Aichner, Direktor des Bayerischen Armeemuseums, das Fort Prinz Karl. Während alle anderen Außenwerke, die den einstmals geschlossenen äußeren Festungsring um Ingolstadt bildeten, nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, blieb Fort Prinz Karl erhalten. "Die Anlage war nach dem Krieg voll mit Munition, vermutlich aus Italien", erzählte Aichner vor zahlreichen Teilnehmern der Besichtigung. Hätte man Fort Prinz Karl gesprengt, wäre die benachbarte Ortschaft Katharinenberg in die Luft geflogen. Die Amerikaner sahen das ein und die Anlage blieb erhalten.

Wo früher Soldaten Wache standen und in Friedenszeiten vermutlich die fantastische Aussicht bis ins acht Kilometer entfernte Ingolstadt genossen (man kann die Münstertürme sehen), grasen heute Schafe und Ziege und verhindern so, dass auf den Dächern Bäume und Sträucher wachsen. Im ehemaligen Graben, der für die Öffentlichkeit gesperrten Anlage geht es nicht ganz so friedlich zu. "Fort Prinz Karl ist Munitionssammelstelle, die kleinere Kaliber auch selbst entsorgt", erklärte Aichner den Zuhörern die Bedeutung einiger eiserner Öfen.

Das Ende des 19. Jahrhunderts aus Ziegeln gemauerte, absolut symmetrisch aufgebaute Fort wurde nach einem Sohn von König Max Josef I. benannt. Es ist eines der letzten Festungsgebäude, die überhaupt noch Zierelemente aufweisen. Und es ist ein gutes Beispiel dafür, dass laut Aichner "Festungsbau auch Psychologie" ist und oft ein "trügerisches Gefühl von Sicherheit" vermittelt. Galten die Kaponnieren (massiv gemauerte, fest gedeckte Gänge oder Räume) von Fort Prinz Karl zur Zeit der Erbauung im Fall der Einnahme als unzerstörbar, hatte sich die Einschätzung der Militärs bereits zehn Jahre später völlig geändert: Steil- und Explosivgeschosse konnten die Decken durchschlagen. "Und auch die Abdeckung mit Sand, Beton und Erde war nicht ideal", sagte Aichner. Für die Besucher bot sich die seltene Gelegenheit, das Fort nicht nur von oben, sondern auch teilweise in Inneren zu besichtigen.

Mit dem Bus ging es dann weiter nach Manching, wo die Friedenskirche von Olaf Gulbransson mit ihrer ungewöhnlichen Architektur im Mittelpunkt stand. Vor 50 Jahren errichtet, wurde das evangelische Gotteshaus aus den Steinen des ehemaligen Forts VIII errichtet. Ab 1875 erbaut, diente es nach dem Ersten Weltkrieg als Lager. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren in dem später gesprengten Fort Wehrmachtsgefangene untergebracht. Über 70 Männer wurden dort beziehungsweise am Ingolstädter Auwaldsee hingerichtet.