Vor 90 Jahren
Fast doppelt so schnell als erlaubt: Strafzettel für Hitler

Wie Hauptwachtmeister Probst in Ebenhausen einen prominenten Verkehrssünder erwischte

18.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:51 Uhr
Vor 90 Jahren hat Adolf Hitler, der wohl selbst keinen Führerschein hatte, aber zu jener Zeit einen Mercedes Kompressor mit dem amtlichen Kennzeichen "II A - 1 9357" besaß, in Ebenhausen einen Strafzettel bekommen. In Historikerkreisen kennt man den Fall als "Hitler-Knöllchen". −Foto: DK-Archiv, Bernhard Rödig

Ebenhausen - Es war der 19. September vor 90 Jahren, als Hauptwachtmeister Probst von der Bayerischen Gendarmeriestation Reichertshofen sein Notizbuch und einen Verkehrssünder eintrug. Ein Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen "II A - 1 9357" war mit überhöhter Geschwindigkeit durch Ebenhausen gebraust. Der Halter des Fahrzeugs war bald ermittelt. Seine Name: Adolf Hitler.

Der Schrobenhausener Heimatforscher Bernhard Rödig stieß vor einer ganzen Weile auf diese Geschichte und recherchierte sie nach. Mit vereinten Kräften gelang es sogar, ein Bild des Autos aufzutreiben, mit dem Hitler seinerzeit unterwegs war und das keinen Zweifel daran lässt: Die Geschichte mit dem "Hitler-Knöllchen" stimmt.

Damals gab es natürlich noch keine Verkehrssünderkartei in Flensburg; die Verwaltungsabläufe waren etwas komplizierter. Hauptwachtmeister Probst hatte zunächst ein Protokoll für die Polizeidirektion München, bei der das Fahrzeug zugelassen war, zu erstellen. Er bat dort um Ermittlung des Führers des Fahrzeugs - er konnte ja weder wissen noch ahnen, dass der Fahrzeugführer später einmal tatsächlich "Führer" genannt werden wollte.

Hauptwachtmeister Probst schrieb außerdem folgenden, grammatikalisch nicht ganz einwandfreien, aber doch sehr beamtendeutsch klingenden Satz ins Protokoll: "Die Geschwindigkeit wurde von zwei Beamten mit 2 Stoppuhren festgestellt und durchfuhr das Fahrzeug eine an beiden Seiten bebaute mit Stahlband abgemessene Strecke von 200 m in 13 Sekunden, was die obige Geschwindigkeit ergibt." Gemessen wurden von den Gendarmen 55,3 km/h - fast doppelt so viel wie erlaubt.

Hitler hatte keinen Führerschein

Drei Tage später kam aus München - heute ist man mit digitaler Hilfe auch nicht immer schneller - schon die Rückantwort. Demnach war der Besitzer des Fahrzeugs ein gewisser Adolf Hitler, wohnhaft in der Prinzregentenstraße 16, zweiter Stock. Ob Hitler am Ende zahlen musste, ist nicht überliefert. Das Protokoll zum Strafzettel wurde aber am 23. September 1931 als erledigt abgestempelt, was die Vermutung nahelegt, dass entweder bezahlt oder eine politische Lösung gefunden wurde. Hinweise auf eine "polizeilichen Einvernahme" hat Heimatforscher Bernhard Rödig auch gefunden. Fahrer Julius Schreck - der Führer hatte ja wohl selbst keinen Führerschein - gab damals an, Hitler habe ihn angewiesen, "so schnell wie möglich zu fahren".

Das steckte hinter der großen Eile

Die große Eile des späteren Diktators und Massenmörders hat einen historisch belegten Hintergrund, wie Rödig herausfand. Dabei geht es um Hitlers Halbnichte Angela "Geli" Raubal, mit der ihn wohl nicht nur rein verwandtschaftliche Beziehungen verbanden. Hitlers Dominanz und Raubals Gefühlswirrwarr scheinen eine tödliche Mischung ergeben zu haben.

Einen Tag vor der Geschwindigkeitsübertretung, also am 18. September 1931, waren Hitler und sein Chauffeur gegen 15 Uhr von München aus in seinem 100 PS starken Mercedes Kompressor, amtliches Kennzeichen "II A - 1 9357", nach Nürnberg aufgebrochen. Am Vormittag soll es nach Rödigs Recherchen einen Streit zwischen ihm und seiner Halbnichte gegeben haben. Einige Stunden später erschoss sich die 23-jährige Angela Raubal mit Hitlers Pistole in ihrer gemeinsamen Wohnung. Hitlers Privatsekretär Rudolf Heß war der erste, der nach dem Fund der Toten an den Ort des Geschehens gerufen wurde; die Polizei wurde wohl erst Stunden später benachrichtigt.

Hitler erreichte die Nachricht erst am Morgen des nächsten Tages, da war er gerade in Richtung Bayreuth unterwegs. Julius Schreck musste sofort umdrehen. Um 13.37 Uhr geriet Hitler dann in die Geschwindigkeitskontrolle, und um 14.30 Uhr kam er in München an. Die wahren Gründe und Umstände des Selbstmordes konnten nie geklärt werden.

DK

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Mathias Petry