Hilpoltstein
Fahrt der Erinnerungen

Ehemalige Bewohner von Schwarzwasser und Setzdorf besuchen ihre alte Heimat

19.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Zwei Bilder der früheren Besitzer des Anwesens Nr. 16 von Alfred und Emma Hackenberg dürfen im Radwanderzentrum in Schwarzwasser-Neukaltenstein angebracht werden. Wilhelm Rubick (links) übergibt die Bilder an den Leiter des Radwandervereins Pavel Hornik. Die Reisegruppe in Schwarzwasser-Schroppengrund steht vor der renovierungsbedürftigen Wallfahrtskirche. - Fotos: Rubick

Hilpoltstein/Thalmässing (HK) Seit 1990 besteht eine freundschaftliche Beziehung zwischen den ehemaligen Bewohnern von Schwarzwasser (Cerna Voda), Kreis Freiwaldau im Altvatergebirge und der jetzt dort lebenden Bevölkerung. Die Ortsbetreuerfamilie von Schwarzwasser, Brunhilde und Wilhelm Rubick aus Thalmässing führte vom 5. bis 9. August 50 ehemalige Bewohner von Schwarzwasser und Setzdorf (Vapenna) wieder in die alte Heimat.

 

Der Höhepunkt dieser Reise, zu der sich weitere sechs Personen mit ihren Autos auf den Weg machten, war die Begegnung am 7. August nach der Sonntagsmesse mit Vertretern der Gemeinde, mit Freunden und Bekannten aus Cerna Voda und der Umgebung.

Nach einer mehr als zehnstündigen Fahrt über Prag, Königgrätz und Grulich wurden die Teilnehmer am Abend im Schlesischen Haus in Freiwaldau (Jesenik), von der Familie Jurena empfangen. Leichter Regen und tiefhängende Wolken am nächsten Tag zwangen die Gruppe zu einer Programmänderung. Die Auffahrt mit dem Lift zur Hochschar mit einer Wanderung von der Georgshütte über das Heidebrünnl zum Rotenbergsattel musste entfallen. Stattdessen ging die Fahrt nach Jauernig (Javornik) zur Besichtigung des Schlosses und des weiträumig angelegten Schlossparks.

Da der Wettergott ein Einsehen hatte, stand am Nachmittag dem Besuch des Gotthausberges bei Friedeberg (Zulova) nichts mehr im Wege. Karel Heide aus Friedeberg - früher Rektor der Schule in Schwarzwasser - besorgte eine Auffahrtsgenehmigung für einen Kleinbus. Eine weitere Gruppe erklomm den steilen Anstieg entlang der 14 Kreuzwegstationen zu Fuß. Als Belohnung gab es einen weiten Überblick über Schwarz- und Rotwasser im Süden und den Ottmachauer Seen in Polen im Norden. Zudem konnte die Wallfahrtskirche besichtigt werden. Dann trennten sich die Wege: Eine Gruppe wanderte die sechs Kilometer über den Maierhof nach Schwarzwasser, die zweite Gruppe führte Karel Heide durch Friedeberg. Die Mitfahrer aus Setzdorf (Vapenna) verbrachten diesen Tag in ihrem Heimatort. Vera Korytakova, eine Bekannte, sperrte die Kirche auf und spielte für die Besucher auf der Orgel.

Für viele war diese Fahrt ein Besuch in der Heimat der Vorfahren, verbunden mit schmerzlichen Erinnerungen an Flucht und Vertreibung vor 70 Jahren. Das zeigte sich besonders am nächsten Tag in der Sonntagsmesse im Heimatort Schwarzwasser. Vera Korytakova aus Setzdorf spielte zwei Lieder zum Mitsingen für die deutschen Besucher. Die Lesung und Fürbitten trugen Brigitte Müller aus Rothenburg-Steinsfeld und Horst Hannich aus Hilpoltstein vor.

Das anschließende Mittagessen mit Vertretern der Gemeinde und Freunde aus Schwarzwasser und Umgebung war ein weiterer Meilenstein zur Erneuerung und Festigung der langjährigen Verbindung. Bürgermeister Zdenek Betak hatte im Hotel Cerna Voda (früher Sudetenhof) einen würdigen Empfang vorbereitet und hieß die Gäste willkommen. Ortsbetreuer Wilhelm Rubick betonte: "Wir können stolz auf zahlreiche Begegnungen und Freundschaften sein, die sich in den vergangenen 26 Jahren gebildet und verfestigt haben."

Dann ging Rubick auf 70 Jahre Vertreibung ein sowie die Unterzeichnung einer Charta aller Landsmannschaften mit Verzicht auf Rache und Vergeltung ein. Einer der stärksten Sätze in diesem einzigartigen Friedensdokument lautet: "Den Mensch mit Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste zu töten." In diesen Worten klinge der tiefe Schmerz mit, der damals vielen jeden Lebensmut raubte.

Immer mehr gelinge aber auch den Tschechen, die Schatten der Vergangenheit aufzuarbeiten. Vergessen und Verzeihen könne man aber nicht verordnen, es müsse wachsen. "Kehren wir daher zu dem zurück, was uns alle eint: das gemeinsame Bemühen um Versöhnung und um eine Zukunft in nachbarschaftlicher Freundschaft", schloss Rubick.

Der nächste Höhepunkt war die Begegnung mit dem ehemaligen Bürgermeister Pavel Hornik im Radwanderzentrum in Schwarzwasser-Neukaltenstein. Hornik, der jetzt das Zentrum leitet, genehmigte, im Vereinsheim zwei Bilder der früheren Besitzer des Anwesens, von Alfred und Emma Hackenberg, anzubringen. Ortsbetreuer Rubick hatte auf Wunsch der Tochter, Gitte Hackenberg, dies in die Wege geleitet. Ein weiteres freudiges Wiedersehen im Radwanderzentrum gab es mit Paula Ruzickova. Sie übersetzte das Heimatbuch "Schwarzwasser im Wandel der Zeit" von Wilhelm Rubick in die tschechische Sprache.

Vom Radwanderzentrum ging die Fahrt zur Kirche in Schwarzwasser-Schroppengrund. Die Gemeinde Schwarzwasser, der diese denkmalgeschützte Kirche gehört, ist dabei, die einsturzgefährdete Kirche mit hohem Aufwand zu renovieren und zu erhalten. Wie Bürgermeister Zdenek Betak in einem Gespräch an der Kirche mitteilte, ist die Baugenehmigung bereits erteilt. Zuschüsse fliesen zu 80 Prozent aus tschechischen Fonds. Wie Rubick mitteilte, wird die Ortsbetreuung Schwarzwasser aus Spenden der Landsleute ebenfalls einen Beitrag leisten.

Der erlebnisreiche Tag endete mit einem Besuch der Muna (frühere Munitionsfabrik) in Niklasdorf (Mikulovice). Von dort wurden 1946 in 48 Viehwaggontransporten 51 499 Personen aus dem Kreis Freiwaldau abtransportiert. Am Versöhnungskreuz, errichtet von der Jugendgruppe "Brotosaurus", gab Ewald Seifert aus Rothenburg eine Erklärung zur Geschichte der Muna und zur Vertreibung. Am letzten Tag ging die Fahrt auf den 1492 Meter hohen Altvater (Pradet). Dann hieß es endgültig Abschied nehmen.

Die nächste Heimfahrt, zu der sich bereits 35 Landsleute angemeldet haben, findet vom 10. bis 14. August 2017 statt.