Ingolstadt
"Erst danach geht’s einem schlecht"

16.09.2010 | Stand 03.12.2020, 3:40 Uhr

Ingolstadt (DK) Roland H., 43, ist der Fahrer von Sozialministerin Christine Haderthauer. Am Samstag gegen 18 Uhr verhinderte er auf der A9 durch ein reflexartiges Ausweichmanöver den Zusammenprall mit einem Geisterfahrer. Die Beinahe-Katastrophe beschreibt Roland H. so:


 
"Das ging so wahnsinnig schnell, ich habe gar nichts begriffen. Da war nur der Reflex: Flucht, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich habe nach rechts rübergezogen, ohne zu wissen, ob da einer kommt. Ich hätte genauso jemanden töten können damit. Aber während der ganzen Situation fühlt man gar nichts. Erst danach geht’s einem schlecht."

Roland H. kämpfte mit den Tränen, bekam Kreislaufprobleme und Schweißausbrüche. Er sagt: "Frau Haderthauer hat mir später erzählt, ich hätte noch ,Geisterfahrer‘ zu ihr gesagt. Daran kann ich mich nicht mehr erinnern."

Doch schnell kam der Fahrprofi in ihm durch: Nach einigen Minuten hatte sich Roland H. wieder im Griff. Er wechselte auf die rechte Spur, "zum Erholen", wie er sagt, und fuhr dort mit Tempo 100 weiter. Eine Pause machte er nicht. "Man will ja nicht mit der Frau Ministerin auf der Autobahn stehen bleiben." Bei ihr zuhause hätten sie dann aber beide gleich mit Haderthauers Mann gesprochen. Reden hilft – die Erfahrung hat Roland H. auch als Feuerwehrmann gemacht.

Roland H. leidet heute unter Kopfschmerzen, "das kannte ich früher nicht", sagt er. Seit dem Beinahe-Unfall versucht er, das Erlebte zu verarbeiten:

"Man stellt sich ja nie vor, dass man selber mal in so eine Situation kommt. Ich bin seit 20 Jahren Fahrer, ich fahre seit 18 Jahren für das Ministerium, jedes Jahr 100 000 Kilometer, und jetzt hat’s mich selber erwischt. Ich habe mir nachher ausgerechnet, dass wir mit 84 Metern pro Sekunde aufeinander zugeschossen sind. Und der Geisterfahrer war vielleicht 150 Meter von mir entfernt. Da denkt man anders über das Leben nach. Ich bin ein gläubiger Mensch und werde nach Altötting fahren, um eine Kerze anzuzünden."

Am Samstag war Roland H. mit Tempo 180 unterwegs – daran wird sich in Zukunft übrigens nichts ändern. "Aber man konzentriert sich jetzt wieder viel stärker", sagt er. "Wir sind ja Profis, meine Kollegen und ich. Wenn wir nach so einem Erlebnis die Flinte ins Korn werfen würden, müssten wir unseren Job aufgeben."