Stadtgeflüster vom 17. September 2010

16.09.2010 | Stand 03.12.2020, 3:40 Uhr

(sic) Der Komödiant Ingo Appelt hat vor vielen Jahren echt mal einen Riesenwitz gemacht. Da schwadronierte er über das Grauen in öffentlichen Sanitäranlagen und gelangte schnell – wen wundert’s? – zum Nürnberger Hauptbahnhof. Dessen WC sei dermaßen greislich und Ekel erregend, so Appelt, dass er eigentlich nur einen Rat habe: "Meine Damen und Herren, sollten Sie mal am Nürnberger Hauptbahnhof sein und auf die Toilette müssen – fahren Sie nach Fürth!" Hier liege auch der wahre Hintergrund für den Bau der ersten deutschen Bahnlinie, in Betrieb genommen 1835 zwischen Nürnberg und Fürth.

Ingolstädter können über so was nicht lachen. Denn wer bei uns auf dem Rathausplatz weilt und auf die Toilette muss, sollte – so weit es die Dringlichkeit erlaubt – besser mit der INVG- zum Hauptbahnhof reisen (dort lässt sich bei der IFG mittlerweile sehr gepflegt erleichtern), als in die Sanitär-Erlebniswelt unter dem Neuen Rathaus hinabzusteigen. Wer dort hingeht, muss es schon besonders nötig haben. Hier unten, wo die Kacheln vermutlich seit dem Krieg die gleiche anheimelnde Farbe besitzen wie die Gesichter von Oktoberfestbesuchern nach fünf Maß und einer Achterbahnfahrt, schlägt für Nostalgiker die große Stunde. Ältere Ingolstädter, die lange nicht mehr da waren, rufen dann gern: "Da steht echt immer noch ,Pissraum’ an die Tür geschmiert! Also manche Dinge ändern sich nie . . ."

Dabei können öffentliche Bedürfnisanstalten eine inspirierende Wirkung entfalten. Das demonstriert Günter Grünwald eindrucksvoll. Der Komödiant hat nicht zuletzt mit Lach- und Sachgeschichten aus dem Sanitärbereich Ruhm erlangt. Als jedoch seine Heimatzeitung vor Jahren bemerkte: "Grünwald ist – um im Bilde zu bleiben – der Flachspüler allen Tiefsinns", war er total beleidigt.

Doch bald werden wohl mehr Ingolstädter ein entspannteres Verhältnis zu ihren WCs erfahren: dank der politischen Großoffensive "Nette Toilette". Wirte, die dieses Siegel verdienen wollen, müssen nur ihre Sanitäranlagen auch Passanten von draußen zur Verfügung stellen. Die SPD drängt nun mit dieser Initiative an die Öffentlichkeit. Dabei hatte Christel Ernst schon 2006 (nach Tübinger Vorbild) die gleiche Idee. Ihr Antrag versickerte damals allerdings. Jetzt aber, mit Hilfe der SPD, wird der "Netten Toilette" bestimmt der Durchbruch gelingen. Und die Schanz avanciert zu einem Bieslerparadies.

Hoffentlich entwickelt sich der Rest der Stadt ähnlich reizvoll. Nicht, dass sich verwöhnte Touristen in naher Zukunft zuraunen: "Na, wie war’s in Ingolstadt? – "Gut, sicherlich. Wir sind dann doch gleich nach Regensburg weitergefahren. Aber die Toiletten waren echt nett!"