Thalmässing
Ergreifende Momente

Reise in die alte Heimat – Wilhelm Rubicks Buch soll zur Verständigung beider Völker beitragen

31.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:07 Uhr

Der Ortsbetreuer von Schwarzwasser, Wilhelm Rubick (rechts), überreicht an Bürgermeister Pavel Hornik das Heimatbuch, das von Paola Ruzickova übersetzt worden ist.

Thalmässing (HK) Schmerzliche Erinnerungen und bewegende Momente, aber auch schöne Augenblicke und herzliche Umarmungen erlebten die Heimatvertriebenen aus Schwarzwasser bei einer Reise in die alte Heimat. Ortsbetreuer Wilhelm Rubick stellte dabei sein Heimatbuch vor.

Der Ortsbetreuer von Schwarzwasser, Wilhelm Rubick aus Thalmässing, hatte für die Heimatvertriebenen aus Schwarzwasser, die jetzt in ganz Deutschland verstreut leben, ein umfangreiches Programm mit Ortsbesichtigungen, Rundfahrten und Begegnungen mit den jetzigen Bewohnern der einstigen Heimat organisiert.

In Freiwaldau (Jesenik) wurde die Reisegruppe bereits von der Familie Jurena im Schlesischen Haus mit Gulasch und böhmischen Knödel erwartet. Zu den 53 Busmitfahrern gesellten sich noch weitere Heimatvertrie-bene, die mit ihren Privatfahrzeugen angereist waren. Annähernd 20 Reisende kamen aus dem Landkreis Roth und der Stadt Schwabach.

Bereits am nächsten Tag gab es ein Treffen mit den Einwohnern des 52-Seelen-Dörfchens Niesnersberg, die zur 400-Jahr-Feier eingeladen hatten. Der Höhepunkt dieser Fahrt war das Treffen mit Bürgermeister Pavel Hornik und den jetzigen Bewohnern von Schwarzwasser im Zuge der Völkerverständigung zwischen der deutschen und der tschechischen Bevölkerung. Bereits in der Sonntagsmesse, an der auch viele Tschechen teilnahmen, kam es zu ersten Begegnungen mit Bekannten aus früheren Fahrten. Viele der Vertriebenen waren in der reich ausgeschmückten Maria-Kirche getauft worden und hatten hier die erste heilige Kommunion erhalten. Die Älteren unter ihnen waren dort noch gefirmt worden.

In seiner Predigt ging der Priester auch auf die Vertreibungsgeschichte ein und bat die Vertriebenen für das Unrecht, das ihnen wiederfahren ist, um Vergebung. Zur anschließenden Begegnung im schattigen Biergarten brachte Ortsbetreuer Wilhelm Rubick neben einem finanziellen Beitrag für Essen und Getränke auch 50 Liter bayrisches Bier mit, was bei beiden Seiten auf gute Resonanz stieß. Bei diesem Treffen stellten Bürgermeister Pavel Hornik und Ortsbetreuer Wilhelm Rubick das Buch „Schwarzwasser im Wandel der Zeit“ vor, das Rubick in mühevoller Kleinarbeit in den vergangenen zwei Jahren verfasst hat. Pavla Ruzickova, die dieses Werk in die tschechische Sprache übersetzt hat, dolmetschte. Hornik lobte diese umfangreiche Heimatschrift und betonte: „Uns alle verbindet die tiefe Zuneigung zur wunderbaren Landschaft unter dem Falkenberg (Sokoli Hora), die in diesem Werk so ausführlich und hinreißend wiedergegeben wird. Das Europa von heute ist eine Gemeinschaft von Menschen, die Brücken bauen und zueinanderfinden, trotz geschehenen Unrechts in der Geschichte. Ich bin froh darüber, dass wir mit unserer Partnerschaft, die wir auch weiterhin pflegen wollen, an dieser Vereinigung teilnehmen dürfen“, so Hornik. Vielleicht werde Rubicks Buch sogar zu einem neuen Reiseführer durch diesen wunderba-ren europäischen Landstrich.

Rubick bedankte sich bei Pavla Ruzickova für die schwierige und umfangreiche Übersetzung dieses 400 Seiten umfassenden Buches. Ruzickova selbst sah sich verpflichtet, dieses Heimatbuch zu übersetzen, um es auch der tschechischen Bevölkerung zugänglich zu machen. In einem kurzen Rückblick stellte Rubick die Entstehung dieses Buches vor: Aus dem gemeinsamen Vorhaben des damaligen Bürgermeisters Adam Micak und von Wilhelm Rubick, über Schwarzwasser einen Bildband zu erstellen, habe sich die Idee entwickelt, ein Buch zusammenzustellen. Die Bedeutung dieses Buches liege vor allem in der umfassenden Darstellung der Geschichte von Böhmen und Mähren und vor allem der des Ortes und der Menschen von Schwarzwasser, die in dieser Weise noch nicht aufgearbeitet wurde. Zeitzeugenberichte zum Leben und Brauchtum runden die Arbeit ab. Das Buch wird zweisprachig gedruckt, um zu verdeutlichen, dass die Geschichte des Ortes nicht 1945 aufgehört hat. Insofern wird das Werk zur Völkerverständigung und Annäherung beider Völker beitragen, da eine Grundlage geschaffen wurde, die bestehenden Kontakte zu fördern und weiterzuentwickeln, so Rubick. „Wege in die Vergangenheit“ beschreibt Rubick einen großen Teil seines Buches. „Suchen wir gemeinsame Wege in die Zukunft“, endete er in seinen Ausführungen.

Ein weiteres Erlebnis war die Fahrt auf den 1492 Meter hohen Altvater (Pradet). Ergreifende Momente gab es anschließend beim Besuch der Muna (Munitionsfabrik) bei Niklasdorf (Miculovice), von der aus 51 500 Bewohner des Kreises Freiwaldau – darunter auch die Einwohner von Schwarzwasser – in 45 Transporten zu je 40 Viehwaggons vertrieben und abgeschoben wurden. „Weg ohne Wiederkehr“ nannte Rubick die Auffahrt zur Muna. Wer hinter das eiserne Tor – das jetzt abgebaut ist – mit nur wenig Gepäck verfrachtet wurde, sah die Heimat nie mehr wieder.

Stille kehrte ein und manche Träne floss, als Ewald Seifert, selbst ein Betroffener der Vertreibung, am vor einem Jahr errichteten Versöhnungskreuz in einem Rückblick an die schrecklichen Ereignisse der damaligen Zeit erinnerte. Ortsbetreuer Wilhelm Rubick und der 82-jährige Richard Mücke legten während des Gedenkens an die Toten der Heimat gemeinsam einen Kranz nieder.

Es war nicht der erste und auch bestimmt nicht der letzte Besuch in der alten Heimat, waren sich die Teilnehmer am nächsten Tag auf dem über 900 Kilometer langen Heimweg einig. Mit der Frage konfrontiert, ob eine Reise in die Vergangenheit nicht wieder alte Wunden aufreiße, zeigt sich Rubick von der Notwendigkeit solcher Besuche überzeugt. Er kennt viele Schicksale der Heimatvertriebenen aus Schwarzwasser. Die Wunden seien auch nach 66 Jahren Vertreibung aus der angestammten Heimat nicht verheilt. Viele Vertriebene, vor allem alleinstehende, „gehen nachts durch den Ort, treffen Freunde und Bekannte, den Nachbarn, die Schulfreundin, stellen sich wieder und wieder die Häuser und die Umgebung vor.“

„Es sind die Erinnerungen, die wir in uns tragen und die Sehnsüchte, die uns treiben“, so das Resümee der Heimatvertriebenen.