Pfaffenhofen
"Erfolgsgeschichte der Nächstenliebe"

08.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:36 Uhr |

Der FC Bayern hilft: Der damalige Vohburger Bürgermeister Josef Hammerschmid (rechts) begrüßt am 17. Dezember 1989 Bayern-Trainer Jupp Heynckes (links) und Manager Uli Hoeneß (Mitte) zum Benefizspiel auf dem Sportplatz in Irsching. ? PK-Arch - foto: W. Hailer

Pfaffenhofen (PK) Mit einer Benefizgala feiert der Verein Familien in Not an diesem Samstag 20-jähriges Bestehen. Rund 1,3 Millionen Euro hat der aus einer Spendenaktion des Pfaffenhofener Kurier entstandene Verein seit seiner Gründung an hilfsbedürftige Menschen im Landkreis ausbezahlt.

Ein schrecklicher Unfall steht am Beginn der "Erfolgsgeschichte der Nächstenliebe", wie der Vorsitzende und Pfaffenhofener Stadtpfarrer Frank Faulhaber die Arbeit des gemeinnützigen Vereins bezeichnet. Am Abend des 28. November 1989 ist der 34-jährige Gerhard B. aus Vohburg mit seinem Auto auf der Bundesstraße 300 unterwegs, begleitet von seinem Arbeitskollegen Johannes T. (56) aus Wettstetten bei Ingolstadt. Zwischen Reichertshofen und Langenbruck gerät der Pkw aus ungeklärter Ursache auf die Gegenfahrbahn und prallt frontal mit einem Lastwagen zusammen. Die Arbeitskollegen sind auf der Stelle tot.

Besonders tragisch: Beide hinterlassen Familien, die vom Schicksal ohnehin schon schwer geprüft worden sind. Die Ehefrau von Gerhard B. leidet an Multipler Sklerose und sitzt seit Jahren im Rollstuhl. Mit ihrem Mann und den zwei Töchtern im Alter von vier und neun Jahren ist sie gerade erst in das neue, noch nicht komplett ausgebaute Eigenheim in Vohburg umgezogen. Die Kosten für die noch ausstehenden Restarbeiten am Haus und die Raten zur Rückzahlung des Bankdarlehens (rund 180 000 Mark) könnte sie mit der zu erwartenden Witwenrente unmöglich aufbringen.

Vor finanziellen Problemen stehen auch der damals 17-jährige Sohn und die 19-jährige Tochter von Johannes T. aus Wettstetten. Sie sind durch den Unfalltod des Vaters zu Vollwaisen geworden. Vier Jahre zuvor war ihre Mutter gestorben und auf dem Elternhaus lasten noch Schulden in fünfstelliger Höhe.

Schnell organisieren Verwandte und Freunde in Ingolstadt und Vohburg Hilfsaktionen für die vom Schicksal so hart getroffenen Familien.

Im Landkreis Pfaffenhofen konzentriert sich die Anteilnahme auf Monika B. und ihre beiden kleinen Töchter. Der Vohburger Polizeibeamte und Stadtrat Martin Schmid, heute 1. Bürgermeister der Donaustadt, ist einer der ersten, der sich an die Redaktion des Pfaffenhofener Kurier wendet: "Wir müssen es schaffen, dass die schwer kranke Frau mit ihren Töchtern in dem Haus bleiben kann", sagt Schmid und findet bei der Heimatzeitung sofort Unterstützung. Die alljährliche PK-Spendenaktion unter dem Motto "Vorweihnacht der guten Herzen", die schon seit vielen Jahren karitative Organisationen im Landkreis unterstützt, wird diesmal ausschließlich zugunsten der Vohburger Familie laufen mit dem Ziel, die Kosten für die Restarbeiten am Haus und zur Rückzahlung der Hypotheken aufzubringen. "Wir hatten gehofft, mit unserer Aktion vielleicht 100 000 bis 150 000 Mark sammeln zu können und der Familie damit die größten materiellen Sorgen zu nehmen. Aber dass wir eine solche Welle der Hilfsbereitschaft auslösen würden, hatten wir nicht einmal im Traum gedacht", erinnert sich der damalige PK-Redakteur Willy Hailer.

100 000 Euro Startkapital

Schon nach zwei Wochen sind fast 300 000 Euro auf den Spendenkonten des PK eingegangen – mehr als für die Darlehenstilgung und den behindertengerechten Ausbau des Hauses benötigt werden. Doch viele Aktionen laufen noch, unter anderem hat sich der FC Bayern München zu einem Benefizspiel für die Familien der Unfallopfer in Vohburg angesagt. In seiner Ausgabe vom 16. Dezember 1989 kann der Pfaffenhofener Kurier seinen Lesern melden, dass das Ziel der Spendenaktion erreicht ist und alle weiteren Gelder, die zur Existenzsicherung für Monika B. und ihre Kinder nicht benötigt werden, in einen noch zu gründenden Hilfsfonds für andere Not leidende Menschen im Landkreis Pfaffenhofen fließen sollen. Und so bleiben am Ende über 100 000 Mark als Startkapital für den Verein Familien in Not, der im darauf folgenden Herbst, am 5. Oktober 1990, in der Müllerbräu-Klause in Niederscheyern gegründet wird. Zum 1. Vorsitzenden wird der damalige Verleger des Pfaffenhofener Kurier, Michael Ludwig, gewählt, der das Amt bis zu seinem Umzug nach Spanien (im Jahr 2002) ausübt.

Zu den Gründungsmitgliedern, die bis heute im Verein mitarbeiten, gehören der Pfaffenhofener Rechtsanwalt Sieghard Pichl, seit Anbeginn Schriftführer des Vereins, der Ingolstädter Berufsstadtrat und frühere Jurist am Landratsamt und bei der Stadt Pfaffenhofen, Herbert Lorenz, Gerhard Kohlhuber, Redakteur der Geisenfelder Zeitung, sowie der frühere PK-Redaktionsleiter Willy Hailer, von 2002 bis 2008 erster Vorsitzender und derzeit Stellvertreter im Vorstand von Familien in Not.

Hilfe für 1000 Familien

Seit seiner Gründung unterstützte der Verein Familien in Not schon weit über 1000 Familien, die durch Krankheit, Unglücksfälle oder andere unglückliche Umstände in finanzielle Notlagen geraten waren. Aufgefüllt wird der Hilfsfonds in erster Linie durch die Leserinnen und Leser des DONAUKURIER und seiner Heimatzeitungen bei der Aktion "Vorweihnacht der guten Herzen". Aber auch durch zahlreiche Benefizaktionen und Spenden während des Jahres sowie Bußgelder aus Strafverfahren am Amtsgericht Pfaffenhofen wird der Verein in die Lage versetzt, in Notfällen schnell und unbürokratisch helfen zu können.

Bei der Bearbeitung der Hilfsanträge steht der Verein im Kontakt mit Sozialbehörden, Jugendamt, Kirchen sowie anderen karitativen Verbänden oder Einrichtungen wie zum Beispiel Caritas und Tafel. Mit Unterstützung der Sozialexperten wird nach bestem Wissen und Gewissen geprüft, ob eine Hilfe angebracht ist. "Und natürlich engagiert sich der Verein nur dort, wo es Lücken im sozialen Netz gibt, also in Fällen, in denen staatliche Stellen, Krankenkassen, Versicherungen und andere Kostenträger nicht oder nur unzureichend helfen können", sagt der 1. Vorsitzende Pfarrer Frank Faulhaber.

In einem ganz aktuellen Hilfsantrag, der vor wenigen Tagen an den Verein herangetragen wurde, geht es um die Finanzierung einer Haushaltshilfe für die Eltern von Drillingen. Einer der Buben hat einen angeborenen Herzfehler und benötigt intensive Betreuung und Pflege durch die Mutter. Um sie etwas zu entlasten, wäre nach Ansicht des Jugendamtes eine Unterstützung im Haushalt dringend erforderlich.

Wie Frank Faulhaber betont, geht es dem Verein in vielen Fällen vorrangig darum, die Hilfesuchenden in akuten Notsituationen zu stabilisieren und einen drohenden sozialen Absturz zu verhindern. "Wenn zum Beispiel ein Familienvater mit einem Niedriglohn-Job unbedingt ein Auto braucht, um seine Arbeitsstelle zu erreichen, und er das Geld für die Reparaturkosten nicht aufbringen kann, ist das für die Familie ein existenzielles Problem. In solchen Fällen können wir mit einem Zuschuss helfen, dass der Mann seinen Job behält."

Sein besonderes Augenmerk richtet der Verein vor allem auf die Situation von Kindern und Jugendlichen in Familien mit geringem Einkommen. "Da fehlt es oft am Allernotwendigsten", sagt Frank Faulhaber. Auch wenn für Klassenfahrten oder Freizeitaktivitäten in den Ferien das Einkommen der Eltern nicht ausreicht, könne der Verein Familien in Not mit einem Zuschuss helfen. "Damit wollen wir erreichen, dass die Kinder aus armen Familien nicht noch mehr ausgegrenzt und benachteiligt werden, als dies ohnehin schon der Fall ist."

Zu den Kommentaren