Erdogan macht Druck

Kommentar

19.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Die Türkei ist doch immer wieder für eine Überraschung gut. Während Politiker in Europa darüber diskutieren, ob es nicht das Beste wäre, die Beitrittsverhandlungen mit dem immer mehr in eine Autokratie abrutschenden Land ganz abzubrechen, pocht der türkische EU-Botschafter in einem Interview darauf, dass sein Land bis 2023 Vollmitglied in der EU werden wolle.

Das würde Selim Yenel nicht sagen, wenn es nicht die Position von Präsident Recep Tayyip Erdogan wäre. Er setzt die Europäer wieder einmal unter Druck. Auch Yenels Tonfall passt zu dem seines Chefs. "Für uns wäre es langfristig nicht akzeptabel, nicht zur EU zu gehören", sagt der Diplomat ziemlich undiplomatisch. So verhält sich eigentlich niemand, der in einen Klub aufgenommen werden will und sich dadurch viele Vorteile erhofft. Geradezu perfide ist, wenn der Botschafter argumentiert, eine EU-Mitgliedschaft werde die Standards in der Türkei "in nahezu allen Bereichen erhöhen". Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Erst muss sich die Türkei den europäischen Spielregeln anpassen. Dann kann über eine Mitgliedschaft entschieden werden. Und dass das in sieben Jahren der Fall sein wird, ist mehr als unwahrscheinlich.