Erdgas - Gaspreis-Schock zur Heizperiode

04.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:27 Uhr

Millionen Haushalte erwartet in den nächsten Wochen ein Preisschock. Zu Beginn der Heizperiode im September und Oktober verlangen etliche Versorger deutlich mehr für Erdgas.

Der Trend ist typisch: Sobald der Herbst naht und die Temperaturen sinken, erhöhen die Energieversorger bei uns die Preise für Erdgas. Okay – auch kritische Verbraucher verstehen, dass die steigende Nachfrage in der kühlen Jahreszeit den Markt antreibt. Doch 2011 kommt es für Kunden knüppeldick: Gleich 223 Versorger haben laut Vergleichsportal Verivox Aufschläge für September und Oktober angekündigt – und zwar im Schnitt um satte elf Prozent. Das trifft viele Bürger. Zwölfeinhalb Millionen Haushalte, also gut jeder dritte bundesweit, wird eine Ankündigung im Briefkasten finden. Für Familien mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden Gas bedeutet dies eine zusätzliche Belastung von durchschnittlich 130 Euro im Jahr, sagt Peter Reese, Leiter Energiewirtschaft von Verivox.

Besonders happig schraubt die Gasversorgung Wismar Land zum 1. September an der Preisschraube: Um 25 Prozent verteuert sich der Grundversorgungstarif. Ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden muss dem regionalen Gashändler aus dem Norden Mecklenburg-Vorpommerns dann 400 Euro mehr im Jahr überweisen. Allerdings verlangen auch bedeutende Lieferanten wie Mainova, EnBW, die MVV Energie AG, Gelsenwasser, Pfalzgas oder die Rhenag AG künftig deutlich mehr. Die Eon-Tochter Avacon beispielsweise packt im Versorgungsgebiet Niedersachen und Sachsen-Anhalt auf ihre bislang günstigsten Tarife im Schnitt fast zehn Prozent drauf.

Auch Ökoanbieter erhöhen Preise

Der Preisschock trifft jedoch nicht nur die Kunden klassischer Energiekonzerne. Auch alternative Anbieter wie die Hamburger Lichtblick AG schlagen kräftig zu. Deutschlands größter Anbieter von Ökoenergie erhöht zum 1. September den Arbeitspreis für Erdgas um 0,5 auf 6,49 Cent pro Kilowattstunde. Wer 20.000 Kilowattstunden verbraucht, muss folglich Mehrkosten von 100 Euro pro Anno einkalkulieren. Die Preiserhöhung ist angesichts der aktuellen Entwicklungen im Gasmarkt moderat, versucht Lichtblick-Vorstand Christian Friege zu beschwichtigen. Heißt: Trotz unsicherer Prognosen für die Weltwirtschaft steigt die globale Nachfrage, und das puscht den Preis. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) beflügelt momentan besonders der Abschied von der Atomkraft die Gas-Nachfrage. Bis 2016 sagt die Agentur vor allem durch intensivere industrielle Nutzung steigendes Interesse voraus.

Beschaffungsstrategie entscheidet

Von diesem Trend können sich deutsche Lieferanten derzeit nur bedingt lösen. Anders formuliert: Die individuelle Beschaffungsstrategie der Unternehmen entscheidet über steigende Kosten für Kunden, erklärt Energieexperte Reese. Probleme haben derzeit Versorger, die nicht kurzfristig günstige Mengen Erdgas über Börsen kaufen können, sondern an langfristige Lieferkontrakte gebunden sind – wie die Essener Eon Ruhrgas. Deutschlands größtes Gasunternehmen leidet unter Altverträgen mit dem russischen Energiemonopolisten Gazprom. Und die listen offenbar Einkaufspreise, die im Verhältnis zum Verkaufspreis nur geringe oder gar keine Gewinne bringen.

Dennoch verwundert der massive Preisauftrieb der Versorger zu Beginn der Heizperiode. Denn eigentlich ist der EU-Markt mit großen Mengen an verflüssigtem Gas (Liquefied Natural Gas) geflutet, das für den amerikanischen Markt vorgesehen war und nun in Europa angeboten wird. Tatsächlich drückte ein Erdgas-Überangebot monatelang die Börsenkurse. Erst seit August 2011 steigen die Preise für tagesaktuelle Gas-Lieferungen an der Leipziger Energiebörse EEX moderat wieder an. Auch die Terminkontrakte für 2012, die Bezugskosten für Erdgasmengen im kommenden Jahr abbilden, sind seit Monaten stabil. Dennoch erwartet Peter Reese, dass weitere Versorger ihre Preise steigern. Bislang verlangen erst ein Drittel der Unternehmen mehr. Da ist noch Potential für weitere Aufschläge, glaubt der Energieexperte. Für Verbraucher kann der Trend nur eines bedeuten: Die Gas-Lieferverträge müssen unbedingt geprüft und die Konditionen verglichen werden. Das ist zum Beispiel über den biallo-Vergleichsrechner möglich. Mit wenigen Mausklicks zeigt der Rechner die günstigsten Tarife vor Ort an.