Pfaffenhofen
Engagierter Einsatz für die Region

Major Sloat versucht nach Kriegsende Leben und Arbeit zu normalisieren - Komplott gegen Landrat scheitert

31.07.2020 | Stand 23.09.2023, 13:17 Uhr
  −Foto: Lodermeyer, PK-Archiv

Pfaffenhofen - Vor 75 Jahren hatten amerikanische Besatzer in Pfaffenhofen das Sagen, der erste Kommandant, Major Charles A.

Sloat, verfasste über diese Zeit regelmäßige Rechenschaftsberichte für das Hauptquartier in München. Heimatforscher Reinhard Haiplik rekonstruiert anhand dieser Aufzeichnungen, wie Gesellschaft, Politik und Alltag sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten. Im letzten Teil dieser Serie geht es um eine vorsichtige Rückkehr zur Normalität - samt Kino und Zeitung. Außerdem beschreibt Haiplik anhand von Sloats Aufzeichnungen ein versuchtes Komplott gegen den damaligen Landrat Ernst Vetter. Mit diesem Teil endet unsere Serie über Major Sloats Zeit in Pfaffenhofen.

Neue Normalität


Amerikanische Soldaten verließen nach und nach öffentliche Gebäude, in denen sie untergebracht waren. Im September wurde die Wolnzacher Hopfenhalle geräumt. Im August gab es wieder Telefonverbindungen zwischen den verschiedenen Ämtern. Im selben Monat wurde alle Postämter des Landkreises wieder geöffnet. Im September wurden 2000 amerikanische Soldaten aus dem Landkreis abgezogen. Die Wohnungssituation verbesserte sich so vorübergehend. 2500 Soldaten blieben aber noch.

Die Straßenlampen leuchten, die Züge fuhren wieder. Reisen von über 20 Kilometern mussten aber genehmigt werden. Dies geschah nur in dringenden Fällen.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt war kritisch, die Landwirtschaft funktionierte dagegen gut. "Der Landkreis Pfaffenhofen ist eine der führenden Agrarregionen Bayerns", lesen wir im Bericht von Major Sloat. Die im Krieg zerstörte Autobahnbrücke bei Geisenhausen wurde wieder aufgebaut. Einige dort Beschäftigte verweigerten die Arbeit. Sie hatten erfahren, dass von München geschickte Arbeiter wesentlich höheren Lohn erhielten. Die Arbeitsverweigerer wurden bestraft.

Schwere Bedenken hatte Major Solat gegen die Schließung der 13 Brauereien des Landkreises. Er schreibt: "In einer Gegend, wo der Hopfen wächst und Bier gebraut wird, ist Bier fast ein Grundnahrungsmittel. Zudem trägt es dazu bei, die Leute von ihren Schwierigkeiten ein wenig abzulenken. Die Schließung der Brauereien verstärkt auch das Problem der Arbeitslosigkeit. Im Landkreis gibt es nicht viele Fabriken, die Arbeit anbieten. "

Im Oktober öffnete das Pfaffenhofener Kino wieder.

Am 11. Dezember erschien die erste Nachkriegsausgabe des "Donau Kurier" mit Sitz in Ingolstadt. Es war die erste Zeitung zwischen München, Nürnberg und Augsburg, die eine entsprechende Lizenz der Militärregierung erhalten hatte. Lange stand für die Landkreise Pfaffenhofen, Schrobenhausen, Aichach, Eichstätt und Riedenburg nur eine Seite zur Verfügung. Bemerkenswert sind Worte im Leitartikel der ersten Ausgabe: "Leitmotiv der Arbeit ist die Verbreitung der Wahrheit und unverfälschte Darstellung der Tatsachen. Das verpflichtet zu einem unerbittlichen Kampf gegen jeden Versuch geistiger Knechtung und demoralisierenden Gewissenszwanges. "

Komplott gescheitert


Im November wurden in Pfaffenhofen Flugblätter verbreitet. Darin wurde behauptet, dass alle für die Amerikaner arbeitenden Personen bald verschleppt würden. Die Pfaffenhofener Außenstelle der Militärregierung erhielt auch merkwürdige Briefe. Major Sloat wurde aufgefordert, gegen "kleine Nazis" milde vorzugehen. Außerdem komme es bald zu einem Krieg mit den Russen.

Im Dezember 1945 wurde ein Komplott gegen Landrat Ernst Vetter aufgedeckt. Die führenden Köpfe waren: der Leiter des Wirtschaftsamtes, der ehemalige Leiter des Bezirksfürsorgeamtes und Sektretär des Roten Kreuzes, ein Polizeiinspektor, ein Detektiv, ein Pfaffenhofener, der acht Jahre im Konzentrationslager Dachau verbracht hatte, ein anderer ehemaliger KZ-Häftling, der laut Sloat ein "eifriger Kommunist" sei und es vorziehe, durch "Schlauheit als durch ehrliche tägliche Arbeit" seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Auch ein Diplomingenieur, und zwei weitere Pfaffenhofener waren beteiligt.

An der Spitze der Verschwörer stand ein Verfolgter des NS-Regimes. Er war ohne Geld und Arbeit nach Pfaffenhofen gekommen. Landrat Vetter hatte sich mit ihm angefreundet, ihm eine Wohnung verschafft und ihn mit allem Nötigen versorgt. Auch die Leitung des Wirtschaftsamtes hat er ihm übertragen. Damit war er aber hoffnungslos überfordert. Er soll auch konfisziertes Wehrmachtseigentum an eine Wohnung, die er in München besaß, abgezweigt haben. Major Sloat vermutete, dass er von seinem Stiefsohn, der vielleicht selbst Landrat werden wollte, angestiftet worden war.

In einem Brief hatten die Männer Landrat Vetter schwerster Vergehen bezichtigt. Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage, waren frei erfunden und erlogen. Major Sloat vermutete neben politischen Ambitionen der Männer "riesige Schwarzmarktoperationen", schloss aber auch ein "kommunistisches Komplott" nicht aus.

Ende Dezember 1945 verließ. Major Sloat Pfaffenhofen. Sein Kommando zeigt, dass sich amerikanische Offiziere nach der Befreiung noch von hohen ethischen Grundsätzen leiten ließen. Charles A. Sloats Führungsstil verdient hohen Respekt und Anerkennung. Er war gerecht, vermochte dank seiner Intelligenz zu differenzieren, durchschaute rasch spezifische Pfaffenhofener Verhaltensweisen und lokale Besonderheiten.

Er besuchte die Stadt noch einmal im Juli 1968 während einer Europareise. Er nannte dabei Paffenhofen eine "pretty old town" und zeigte sich von der Entwicklung seit seinem Abschied tief beeindruckt. Er wurde von Bürgermeister Jakob Sanwald empfangen. Sanwald ist Ehrenbürger, nach ihm ist eine Straße benannt. Von 1933 bis 1945 war er Ortsgruppenamtsleiter der NSDAP.

PK

Reinhard Haiplik