Ingolstadt
Ende einer glänzenden Karriere

Audi-Chef Rupert Stadler wird der Abgas-Skandal zum Verhängnis

18.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:50 Uhr
Rupert Stadler −Foto: Cornelia Hammer

Ingolstadt (DK) Festnahme und Untersuchungshaft - damit hat Rupert Stadler wohl am wenigsten gerechnet. Zwar hatte der Audi-Vorstandschef noch bei der Hauptversammlung vor wenigen Wochen eingeräumt, die Abgas-Affäre, die seit 2015 den VW-Konzern und damit auch Audi durchschüttelt, werde das Unternehmen noch länger beschäftigten.

Doch persönlich mochte sich der "Herr der Ringe" bis zuletzt vorwerfen lassen. Er sei "mit sich im Reinen" , versicherte er. Die Ermittlungsbehörden sehen das nun offensichtlich ganz anders - und damit könnte das Ende einer bislang glanzvollen und auch ein wenig ungewöhnlichen Karriere gekommen sein.

Vorgezeichnet war der Aufstieg bis an die Spitze der Ingolstädter Volkswagen-Tochter jedenfalls nicht: Denn Rupert Stadler - mittlerweile 55 Jahre alt - entstammt einer Landwirtsfamilie aus Wachenzell im Landkreis Eichstätt. Morgens geht es in den Stall, später dann in die Schule, am Nachmittag sitzt er auf dem Traktor und hilft bei der Ernte.

Das prägt: Stadler hat sich bis heute eine starke Bodenhaftung bewahrt, er gilt als fleißig, zäh und zuverlässig. Dazu macht er stets einen beherrschten, aber auch dynamischen Eindruck. Und kommt damit völlig anders rüber als seine Vorgänger an der Spitze von Audi, der eiskalt wirkende Ferdinand Piëch und der cholerische Martin Winterkorn.

Stadler besucht die Knabenrealschule Rebdorf und studiert später an der Fachhochschule Augsburg Betriebswirtschaftslehre. Seinen ersten Job nimmt der frisch gebackene Diplom-Betriebswirt bei der Philips Kommunikation Industrie AG in Nürnberg an und wechselt 1990 als Controller zu Audi nach Ingolstadt. Dort herrscht Piëch noch als Vorstandschef. Als der Auto-Partriarch an die VW-Konzernspitze berufen wird, schickt er Stadler zunächst als kaufmännischen Geschäftsführer zur Landesgesellschaft von VW-Audi nach Spanien und holt ihn 1997 als Leiter seines Generalsekretariats zu sich nach Wolfsburg. Damit ist Stadler bei VW im Zentrum der Macht angekommen.

In dieser Zeit entsteht wohl das besonders vertrauensvolle Verhältnis zwischen den beiden Automobilmanagern. Stadler hält seinem Chef in der VW-Korruptionsaffäre erfolgreich den Rücken frei, was ihn nicht zuletzt für höchste Positionen im VW-Konzern qualifiziert und in allen späteren Krisen vor Schaden bewahrt. Als Piëch in den VW-Aufsichtsrat wechselt, wird Stadler 2003 Finanzvorstand bei Audi. Und schon knapp vier Jahre später löst er Martin Winterkorn als Vorstandschef der Ingolstädter VW-Tochter ab. Seit Anfang 2010 sitzt er auch im Konzernvorstand des weltweit größten Automobilherstellers.

Rekorde über Rekorde - so lässt sich die mittlerweile elf Jahre währende Ära Stadler an der Spitze von Audi kennzeichnen. Unter der Ägide des Betriebswirts entwickelt sich das Unternehmen zur Cash Cow des VW-Konzerns: Konsequent wird die Marke mit den vier Ringen in die Oberklasse manövriert, macht den Platzhirschen Daimler und BMW mit stetig wachsenden Absatzzahlen mächtig Konkurrenz. Der Umsatz schießt von 34 Milliarden auf mehr als 60 Milliarden Euro und der operative Gewinn von 2,7 Milliarden auf rund fünf Milliarden Euro in die Höhe. Gloriose Zeiten - bis 2015 die Abgas-Affäre tiefe Schatten auf den VW-Konzern und besonders auf Audi wirft. Denn die Ingolstädter VW-Tochter gilt mittlerweile als Quelle der Schummel-Software, mit der weltweit rund elf Millionen Diesel-Autos manipuliert wurden.

Damit beginnt auch Stadlers Stern zu sinken: "Ich will die Wahrheit wissen, ohne Ansehen von Hierarchien und Personen", verspricht der Audi-Vorstandschef lückenlose Aufklärung des Skandals. Doch die Wahrheit bleibt weithin im Verborgenen. Stadler jedenfalls will von nichts gewusst haben. Und deshalb bemüht sich nun die Justiz um die Klärung der Frage, wer für die Affäre letztlich verantwortlich ist. Razzien bei Audi und Managern des Unternehmens, Festnahmen und Auto-Rückrufe, die mittlerweile in die Hunderttausende gehen, finanzielle Belastungen aus der Affäre, die wieder enteilende Konkurrenz und nun der Vorstandschef in Untersuchungshaft - es sieht so aus, als ob Rupert Stadlers kometenhafte Karriere gerade in den Sphären der bayerischen Justiz verglüht.

Carsten Rost