Ingolstadt
"Wir wollen endlich mal wieder etwas Positives hören"

Umfrage auf der Audi-Piazza: Mitarbeiter sind der schlechten Nachrichten überdrüssig - Management trifft sich zur Infoveranstaltung

18.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:50 Uhr
Schlange stehen für Informationen: Die Audi-Manager wissen vor dem Museum Mobile noch nicht, was sie erwartet. Kommunikations-Chef Toni Melfi (vorne) schreitet entschlossenen Schrittes zur Versammlung. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Es ist 12.30 Uhr, Mittagspause auf der Audi-Piazza in Ingolstadt. Die Sonne scheint und viele Mitarbeiter verbringen ihre freien Minuten draußen. Wie immer. Aber es gibt ein Gesprächsthema, das das Tagesgeschäft und alles andere in den Schatten stellt: die Festnahme ihres obersten Chefs. Viele wollen sich gegenüber unserer Zeitung nicht äußern - und diejenigen, die es tun, unbedingt anonym bleiben. Zu groß ist die Befürchtung, mit einer Stellungnahme in Teufels Küche zu geraten.

Eine Meinung hat natürlich trotzdem jeder zu den jüngsten Ereignissen. Auf Rupert Stadler angesprochen, meint etwa eine junge Frau, die sich gerade mit ihrer Kollegin darüber unterhält: "Ich finde, ehrlich gesagt, schon nach dem Bekanntwerden des Diesel-Skandals hätte die komplette Führungsmannschaft ausgetauscht gehört." Dennoch tue ihr Stadler leid. "Menschlich war er mir immer sympathisch." Eine weitere Mitarbeiterin sagt, sie wünsche der Familie Stadler jetzt viel Kraft. Gleichzeitig mache sie der ganze Skandal und die daraus resultierenden Entwicklungen sehr traurig. "Wir möchten doch alle nur weiter einen guten Job machen - und vor allem auch wieder zuversichtlich in die Zukunft schauen können."

Ähnlich äußern sich ein paar Männer mittleren Alters, die in einer Gruppe zusammenstehen. "Wir wollen endlich mal wieder was Positives von unserem Arbeitgeber hören, irgendwas Aufbauendes", sagt einer. Zur Verhaftung Stadlers gibt es aber lediglich ein Schulterzucken. "Was soll ich dazu sagen?" Ein anderer meint leicht gereizt: "Ich würde mir ja wünschen, dass nicht nur immer bei VW und Audi reingestochert, sondern auch mal bei den anderen Automarken nachgebohrt wird. Die kochen doch auch nur mit Wasser, da würde man sicher auch mehr finden."

Unterdessen wird es auf der Piazza immer voller: Das Audi-Management - mehr als 1000 Leute - trifft sich ab 13 Uhr im Museum Mobile. Am Eingang bildet sich eine lange Schlange; Stadlers Vorstandskollege Wendelin Göbel hat zur "Sonder-Management-Info" (SMI) geladen.

Von den wartenden Führungskräften winkt so gut wie jeder, der von einem Journalisten angesprochen wird, sofort ab. "Wir wissen nichts", heißt es. Oder auch: "Ich möchte dazu nichts sagen", wie zum Beispiel eine Frau mit versteinerter Miene erklärt - und in Richtung der Umstehenden dann doch noch lachend ergänzt: "Ich hatte bisher keine Medienschulung."

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit spricht Göbel in der SMI dann auch nur wenige Minuten, in denen er, nach Informationen unserer Zeitung, seine Management-Kollegen zu Zuversicht und Zusammenhalt aufruft. Dann ist die Veranstaltung auch schon wieder vorbei.

Noch am Freitagabend hatte sich Vorstandschef Stadler selbst mit einer E-Mail an die gesamte Belegschaft gewandt: Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft an ihn, nicht alle Möglichkeiten der Aufklärung ausgeschöpft zu haben, mache ihn "persönlich betroffen". Dennoch sei es für ihn Anlass, "nochmal die Aufklärungsmaßnahmen zu intensivieren". Hintergrund ist, dass am Montag zuvor die Privathäuser Stadlers und seines Vorstandskollegen Bernd Martens durchsucht worden waren. Bei Audi "wurde und wird nichts unter den Teppich gekehrt", schrieb Stadler weiter an seine Mitarbeiter. Zum Ermittlungsverfahren gegen seine Person wolle er sich aber weiter nicht öffentlich äußern.

Auf der Piazza sind die meisten Audianer jedenfalls überrascht, "dass der Stadler nun gleich eingesperrt wurde". Das sei "schon krass", sagt einer. Es gelte selbstverständlich die Unschuldsvermutung, aber falls an den Vorwürfen etwas dran sei, sollte es seiner Meinung nach auch eine gerechte Strafe geben. "Schließlich leiden alle Mitarbeiter darunter - so etwas muss ja das ganze Unternehmen ausbaden."

 

Silvia Obster