Eichstätt
Eine Wende in der europäischen Philosophie

21.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:55 Uhr

Der Herausgeber der neuen Einführung in Kants Philosophie, Professor Norbert Fischer, mit Professor Norbert Hinske und Professor Maximilian Forschner (von links). - Foto: hbc

Eichstätt (EK) Was wäre die Philosophie ohne Immanuel Kant? Seine "Kritik der reinen Vernunft" gilt als ein Wendepunkt der europäischen Philosophiegeschichte. In Eichstätt wurde nun eine neue Einführung in dieses epochale Werk präsentiert. Kantforscher aus ganz Europa haben sich daran beteiligt.

Den prominentesten Fürsprecher des Projekts fand die Forschergemeinde in Papst Benedikt XVI. Dem Herausgeber der Einführung, Professor Norbert Fischer, legte er nahe, "Kant auf neue Weise als Gesprächspartner einer Philosophie zugänglich zu machen, die sich in Einheit mit den Intentionen der katholischen Theologie weiß."

Dass dies nicht immer der Fall war, lässt sich an der langen Wirkungsgeschichte der Schriften Kants nachvollziehen. Wie Vizepräsidentin Professor Gabriele Gien in ihrem Grußwort betonte, galt der Philosoph aus Königsberg lange Zeit als antikatholischer Aufklärer. Einige seiner Bücher wurden auf den Index gesetzt.

Doch das ist längst Vergangenheit. Mittlerweile ist Kant nicht nur rehabilitiert, sondern weckt das Interesse einer internationalen Forschergemeinschaft. Seit 2005 treffen sich Kantianer aus aller Herren Länder im Kloster Weltenburg, um sich einmal im Jahr ganz dem Werk des großen Philosophen zu widmen. Als Frucht dieser Arbeit erschien nun der Band "Kants Grundlegung einer kritischen Metaphysik. Einführung in die Kritik der reinen Vernunft."

Zu diesem Anlass wurde in der Staats- und Seminarbibliothek in Eichstätt eine feierliche Buchpräsentation veranstaltet. Bibliothekschefin Dr. Angelika Reich, Vizepräsidentin der Universität Professor Gabriele Gien und Dekan der Theologischen Fakultät Professor Konstantin Maier sprachen die Grußworte.

Eine kurze Einführung in die "Kritik der reinen Vernunft" gab anschließend Professor Norbert Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für philosophische Grundfragen der Theologie. Zusammen mit Professor Maximilian Forschner aus Erlangen leitet er die Weltenburger Kantseminare seit 2006.

Fischer betonte, dass "das Werk Kants die deutschsprachige Philosophie so sehr begründete, dass die kommenden Werke ohne die Kritik der reinen Vernunft gar nicht möglich gewesen wären." Hegel und Heidegger also überhaupt nicht denkbar? Jedenfalls sei mit Kant eine Wende in der Philosophie vollzogen worden. Idealismus wie Materialismus traten dem Königsberger kritisch gegenüber. Seine Freunde sahen in ihm den großen Erkenntnistheoretiker. Erst in neuerer Zeit entdeckt man Kant als Metaphysiker wieder.

So auch Professor Fischer und die Autoren des neu erschienenen Bandes. Doch die Metaphysik brachte Kant nicht nur Anerkennung. Bald wurde die italienische Übersetzung der "Kritik der reinen Vernunft" auf den Index gesetzt. Ihn selbst aber als antikatholisch zu bezeichnen, hält Professor Fischer für gewagt: "Kant war nicht antikatholisch, sondern die katholische Kirche war antikantisch."

In einem abschließenden Vortrag sprach Professor Norbert Hinske aus Trier über die Philosophie als Schul- und Weltbegriff in der "Kritik der reinen Vernunft". Philosophisch wie philologisch wurde präzise unterschieden, Weltwissenschaft als "Gelehrsamkeit" von Weltweisheit als "Kenntnis von der Bestimmung des Menschen" getrennt. Oder wie Kant selbst es ausdrückte: "Weisheit ist die Bezeichnung einer Erkenntnis zu wesentlichen Zwecken der Menschheit."

Im Rahmen der Buchpräsentation wurden auch Eichstätter Kantiana ausgestellt. Unter anderem ein Exemplar der "Kritik der reinen Vernunft", das noch zu Kants Lebzeiten veröffentlicht wurde.