Sinning
Eine weite musikalische Reise

Münchener Madrigalchor gibt sich auf Schloss Sinning mal romantisch, mal melancholisch

30.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Vierhändig am Klavier begleitete das Ehepaar Elisabeth Sperer und Winfried Engelhard den Madrigalchor bei den Liebesliedern von Johannes Brahms - Foto: Hammerl

Sinning (DK) Ein Landsknecht bringt ein romantisches Ständchen in Florenz bei Nacht, die „Nachtigall, sie singt so schön“ und ein polnischer Bauer fährt mit seiner Frau auf den Markt, um sich später zu wundern, wie schön sie heimtorkeln kann.

So breit ist das Repertoire des Münchner Madrigalchors. In europäischer Folklore ebenso daheim wie in der Chormusik der Renaissance bezaubert der knapp 30-köpfige Chor sein Publikum. Das sitzt dicht gedrängt im proppenvollen Festsaal des Sinninger Schlosses und genießt die außergewöhnliche Sommerserenade, die mit einem Lob der Musik beginnt. Heiter verspielt der Auftakt „Viele verachten die edele Musik” von Johann Kaspar Bachofen (1697-1755), dem Franz Brandl „zum Lohn für den Applaus” einen Kanon mit Publikum folgen lässt. „Sie dürfen mitsingen, aber wir fangen an”, gibt der Chorleiter augenzwinkernd vor, und das Publikum folgt ihm so artig wie der Chor, der später nur leise protestieren wird, als er das Landsknechtsständchen von Orlando di Lasso, den Brandl als „Mozart der Renaissance” bezeichnet, noch einmal komplett wiederholen muss. Nicht etwa, weil der Dirigent mit seinem souverän und vielschichtig agierenden Ensemble unzufrieden gewesen wäre. Nein, es geht schlicht darum, dem Publikum eine zweite Chance zu geben, sich in die Situation des Landsknechtes hineinzuversetzen, der da im nächtlichen Florenz in seinem „grottenschlechten Italienisch” nach Worten ringt, um seiner Angebeteten näherzukommen. Nachdem Brandl die fünf Strophen erläutert hat, fällt es tatsächlich leicht, sich aus dem ohnehin romantischem Sinninger Festsaal – der übrigens auch für Hochzeiten genutzt wird – ins noch romantischere Florenz jener fernen Landsknechtstage zu versetzen und im eingängigen Zwischengesang „Don-don-don” zu schwelgen, den Brandl als Reflexionszeit für den Sänger wertet, der sich die nächsten Worte überlegt.

Um Worte nicht verlegen ist Johannes Brahms in seinem viel zu selten zu hörenden Opus 52, den Liebeslieder-Walzern, für die er Texte von Georg Friedrich Daumer vertonte. Allen Facetten der Liebe mit ihren Licht- und Schattenseiten, mit heiteren und melancholischen Momenten wird Brandl mit seinem Chor in den 18 Liedern gerecht. Vögelein, Naturschönheiten und –gewalten werden facettenreich besungen, aber auch energisch-wütend festgestellt, dass Menschen „alles so giftig auszudeuten wissen”, dass der Schlosser aufgefordert wird, „mache Schlösser”, um die „Mäuler zu verschließen”. Obwohl im Stil natürlich sehr ähnlich, erhält jedes einzelne Lied in der abwechslungsreichen Interpretation des Madrigalchors mit Solisten und Wechselgesängen der Männer und Frauen seine eigene Note. Mal heiter-beschwingt wie in der Aufforderung „Rede, Mädchen, allzu liebes”, mal zart schwärmend nur die Männer „o die Frauen” besingend, die darauf mit „Wie des Abends schöne Röte” antworten, mal besinnlich „Nicht wandle, mein Licht”, mal melancholisch feststellend „ein dunkeler Schacht ist die Liebe”, ehe der Zyklus erwartungsfroh mit „Es bebet das Gesträuch” endet. Mehr als nur Begleitung des Chores bietet das Pianistenduo Elisabeth Sperer und Winfried Engelhard, das die vierhändige Herausforderung aus einem Guss meistert.

Mit dem bekannten „Tanzen und Springen” von Hans Leo Haßler geht es nach einer Erfrischungspause im freiherrlichen Ochsenstall fröhlich weiter mit internationaler, überwiegend osteuropäischer Folklore, von der zuvor bereits Brahms Liebeslieder angehaucht waren. Vom Liebeslied aus Schweden, das das Mädel in die reifen Blaubeeren entführt, über die sehnsuchtsvolle Klage der jungen verlassenen Tschechin (Solistin Janina Knothe, Sopran) bis zum derb-deftigen Bauernschwank aus Polen reicht die Bandbreite. Drei junge Burschen aus Mazedonien machen sich am Brunnen einen Spaß mit einer alten Frau über ein Wortspiel mit Wasser und Wässerchen, während der getragene Beitrag aus Kroatien einen religiösen Hintergrund hat. Wunderschön das russische Volkslied Metjeliza (Schneegestöber) mit Martha Vilgertshofer (Alt) und Martin Unterholzner (Tenor). Einem Chor dieser Klasse ließe sich noch stundenlang lauschen, doch nach zwei Stunden geht das großartige Konzert unwiederbringlich mit „Kein schöner Land” – wieder mit Publikumsunterstützung – zu Ende. Eine Zugabe lässt sich Brandl noch entlocken und so erklingt noch einmal Brahms „kleiner hübscher Vogel”.