Schernfeld
Eine Idee aus dem Kochbuch

04.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:37 Uhr

Smart, ideenreich und ehrgeizig: Thomas Mathes (links) und Daniel Bergér mit frisch ausgesäter Kresse auf geliertem Boden. Beide wollen sich weiter mit Natur und Umwelt beschäftigen: einer als Biologe, der andere als Physiker. - Foto: rj

Schernfeld (EK) Der Gedanke klingt ebenso simpel wie genial: Warum den Wasserverlust beim Bewässerungsfeldbau nicht mit einem Bindemittel aus der Küche stoppen? Für ihr Projekt haben die Studienanfänger Thomas Mathes und Daniel Bergér sogar einen Bundesumweltpreis bekommen.

Daniel holt ein Päckchen Agar-Agar aus der Küche. Ein hellgelbes Pulver mit Biosiegel – geruchlos. "Wenn man Agar-Agar aufkocht, riecht man aber schon etwas", erklärt der 20-Jährige vom Harthof. Agar-Agar ist ein Algenextrakt, es wird beim Kochen als alternatives Bindemittel verwendet.

Auf die Idee mit dem Geliermittel als Wasserspeicher für den Bewässerungsfeldbau kamen die beiden Freunde während ihres ökologischen Jahres im Walderlebniszentrum in Schernfeld. Sie suchten eine Methode, um das übermäßige Verdunsten und Versickern von Wasser zu verhindern. Zunächst probierten sie alle möglichen Geliermittel aus. "Wir haben es zuerst mit Gelatine versucht. Aber die ist ziemlich schnell geschmolzen und es hat ganz schön gestunken", erzählt Daniel.

Dann fiel ihm das alternative Kochbuch wieder ein, das bei ihm daheim in der Küche steht. "Molekulares Kochen. Da gibt es Rezepte wie Nudeln aus geliertem Orangensaft", sagt er und grinst. Ausprobiert hat er so etwas noch nicht. Seinem Freund Thomas aus Kaldorf, ebenfalls 20 Jahre alt, war Agar-Agar bis dato noch gar kein Begriff. Jetzt sind beide so etwas wie Experten in Sachen Geliermittel. In zahlreichen Experimenten haben sie Agar-Agar getestet: unter der Rotlichtlampe bei 120 Grad und im Kühlschrank, um zu sehen, wie viel Wasser bei welcher Temperaturen verdunstet. "Wir wussten am Anfang nicht einmal, ob die Pflanzen auf dem Gelee überhaupt wachsen."

Aber die Versuchskresse gedieh, und auch mit Gerste und Erbsen klappte es dann. Immer wieder gab es aber auch Rückschläge, dann machten sie sich gegenseitig Mut. "Früher hat uns bei solchen Projekten meist nach der ersten Runde der Ehrgeiz verlassen", gibt Thomas zu. Streber sind die beiden nie gewesen. Die Abiturnoten sind gut, aber nicht hervorragend.

Dann das Ergebnis: Mit dem Gelee lässt sich der Wasserverbrauch deutlich reduzieren. "Agar-Agar verhindert, dass das Wasser verdunstet oder versickert", so Thomas. Gerade das sind die Hauptprobleme beim Bewässerungsfeldbau. Oft verdunstet das Wasser, ehe es überhaupt die Wurzeln erreicht.

"Sehr originell" steht denn auch in der Laudatio zum Bundesumweltwettbewerb. Daniel und Thomas haben mit Agar-Agar einen von vier Sonderpreisen in ihrer Alterskategorie gewonnen, insgesamt gingen vier von 33 Auszeichnungen nach Bayern. Dass sie mit ihrer Idee nicht ganz daneben lagen, wussten die beiden Freunde: Schließlich waren sie als Jugend forscht-Regionalsieger ins Rennen gegangen. "Wir haben uns allerdings schon gewundert, dass vor uns noch keiner auf die Idee gekommen ist", gibt Daniel zu.

Ganz so neu ist der Einfall mit dem Geliermittel allerdings nicht. Das haben die beiden im Nachhinein bei Recherchen auch festgestellt. "Aber die Varianten, die es sonst so gibt, werden alle künstlich hergestellt", sagt Daniel. Agnes Grasberger von der Jugendorganisation Bund Naturschutz hat sich die Projektbeschreibung von Daniel und Thomas angesehen. Die Geografiestudentin hält die Idee mit Agar-Agar für "revolutionär", zumal die Wasserproblematik weltweit gesehen immer brisanter werde. "Es ist schon bemerkenswert, wie global und problemorientiert diese zwei jungen Männer denken."

Vielleicht werden irgendwann ja tatsächlich Felder in großem Stil mit geliertem Wasser bewässert. Nicht hier, nicht in Mitteleuropa, sagt Daniel. Aber in Entwicklungsländern, wo Wasser knapp ist. Er jedenfalls bereitet sich mit seinem Projektpartner Thomas schon einmal auf den Agar-Agar-Boom vor: Der eine fängt demnächst ein Biologiestudium an, der andere hat sich für Physik entschieden. "Wir brauchen ja auch jemanden, der die Maschinen für die Bewässerung baut", sagt Thomas halb im Scherz, halb ernst. Einfach in der Schublade wollen sie ihr Projekt nicht verschwinden lassen. Selbstbewusst haben sie einige Universitäten angeschrieben. Und sogar das Bundesentwicklungsministerium. Das aber habe, so Thomas, zurückhaltend reagiert. Erst einmal müsste sich die Methode in Langzeitversuchen bewähren.

Einen Partner aus der Industrie zu finden, hält Thomas für eher schwierig. Ihm ist klar: Mit Agar-Agar lässt sich nicht das große Geld verdienen. "Das können die Entwicklungsländer selbst herstellen." Meerwasser und ein bisschen Sonne reichen, und die Algen gedeihen.

Noch ist die Extraktion von Agar-Agar allerdings recht teuer und energieaufwendig. Aber Thomas und Daniel wären nicht Thomas und Daniel, wenn sie sich nicht auch darüber schon ihre Gedanken gemacht hätten.