Belfast
Eine Dienstreise der besonderen Art

Weltmeisterin Tina Rupprecht fungiert als Dolmetscherin, während ihr Cheftrainer Alexander Haan "fremd geht"

24.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:54 Uhr
Sammelten tolle Erfahrungen in Belfast: Tina Rupprecht (vorne) und ihr Cheftrainer Alexander Haan - gemeinsam mit Francesco Pianeta (hinten) und Teammitglied Michael Hofmann. −Foto: kx

Belfast/Augsburg/Schrobenhausen (SZ) Tina Rupprecht kann eben nicht nur die Fäuste fliegen lassen. Die WBC-Minimumweight-Weltmeisterin aus Augsburg, die ja seit Kurzem als Botschafterin der Aktion "Disco-Fieber" fungiert, machte zuletzt auch als wortgewandte Dolmetscherin eine hervorragende Figur - während ihr sonstiger Cheftrainer Alexander Haan alles versuchte, eine lebende Boxlegende zu besiegen.

Tyson Fury, was für ein Name. Selbst ein Wladimir Klitschko bekommt wohl schnell Kopfschmerzen, wenn er an den schlaggewaltigen Briten denkt. An den Schwergewichtschampion, der ihn einst, im November 2015, nach zuvor elf Jahren ohne Niederlage einfach mal einstimmig nach Punkten geschlagen hat. Nun gut, danach wurde es um den in Manchester geborenen "Gipsy King" etwas ruhiger. Bis jetzt, denn mittlerweile plant Fury ein glorreiches Comeback, möchte zurück nach ganz oben.

Auf seinem Weg dorthin befand sich eben nun Francesco Pianeta - ein stolzer Deutsch-Italiener, 33 Jahre alt, 1,92 Meter groß. Kurzum: ein Baum von einem Kerl. Ein durchaus sympathischer sogar. Der Kampf gegen Fury: für ihn die Riesengelegenheit, sich nochmals auf der ganz großen Bühne zu präsentieren.

Zugegeben: Dass er gegen den immer noch ungeschlagenen Briten wohl keine echte Siegchance besitzen würde, war wohl allen Beteiligten klar. Obwohl, gerade beim Schwergewichtsboxen kann's mitunter sehr schnell gehen. Nur ein präziser Schlag, und der Underdog ist der strahlende Held. Daran glaubte Pianeta. Darauf hoffte er. Und als betreuenden Trainer für den Fight in Belfast hatte er zudem Alexander Haan an seiner Seite - den 38-jährigen Augsburger, der einst ja Rupprecht entdeckt hatte und sie mittlerweile zu einer waschechten Weltmeisterin formte. Wenn es also jemand weiß, wie es an die Spitze geht, dann er.

Also bereitete Haan nun Pianeta vor, machte ihn topfit - ehe vor Kurzem der Flieger in die nordirische Metropole abhob. Dabei mit an Bord, mit im Team: "Tiny Tina". "Die beiden Jungs sprechen wirklich kein überragendes Englisch. Da konnte ich sie doch nicht allein lassen. Ich hatte keine andere Wahl, musste als Dolmetscherin mit", verrät die 26-Jährige lächelnd.

Knapp eine Woche lang Belfast, einfach mal so: Es gibt gewiss Schlimmeres im Leben. "In der Tat", bestätigt die Blondine: "Ich durfte dort viele neue Erfahrungen sammeln, durfte eine mir bislang unbekannte Stadt kennenlernen." Und sie hatte eben auch die Ehre, bei der offiziellen Pressekonferenz als Pianetas Übersetzerin zu fungieren - in unmittelbarer Nähe zum "großen" Fury sitzend. "Er ist schon ein absoluter Showman", so ihr Urteil über den 30-Jährigen. Und sie meint das rein positiv. "Wenn ich zum Beispiel an das offizielle Wiegen einen Tag vor dem Kampf zurückdenke: Da begann Tyson plötzlich, Sweet Caroline zu singen - und alle anwesenden Fans grölten sofort mit. Das war einfach der Wahnsinn", erzählt Rupprecht durchaus beeindruckt.

Ja, diese Nordiren. "Die gingen voll ab", so "Tiny Tina": "Unglaublich, wie boxverrückt sie sind." Demensprechend auch die Stimmung beim Fight an sich: schlichtweg genial. "25000 Leute im Windsor Park von Belfast, das war Gänsehaut pur", gibt die 26-Jährige gerne zu. Das wäre doch was, wenn so viele Fans auch mal zu einem ihrer Kämpfe kommen würden. Oder? "Ich hätte definitiv nichts dagegen", lacht die "Disco-Fieber"-Botschafterin über das ganze Gesicht.

Ach ja, Pianetas Auftritt endete doch wie erwartet- nämlich mit einer Niederlage gegen Fury. Aber der Deutsch-Italiener ging immerhin über die volle Distanz, musste sich nur nach Punkten dem turmhohen Favoriten geschlagen geben. "Francesco hat sich super verkauft, die Fans waren begeistert - und dementsprechend zufrieden zeigte sich auch Alexander", berichtet Rupprecht: "Ein Stück weit fühlten wir uns alle wie Sieger, es war ein Mega-Erlebnis."

Was sie persönlich aus Belfast mitbrachte? "Keine Souvenirs im ursprünglichen Sinn", antwortet die amtierende WBC-Minimumweight-Weltmeisterin: "Dafür viele tolle Fotos und viele tolle Erinnerungen." Also gab es wirklich überhaupt nichts Negatives bei dieser Dienstreise der besonderen Art? "Na ja, das Essen dort in Nordirland war schon ein bisschen komisch", gibt Rupprecht lachend zu: "Und der viele Regen hätte auch nicht sein müssen."

Ab sofort hat sie Haan übrigens wieder für sich ganz allein. Es steht schließlich heuer noch eine WM-Titelverteidigung für sie auf dem Programm - vermutlich Ende Oktober oder im November, wobei allerdings der Austragungsort sowie die Gegnerin noch nicht feststehen. "Egal, wir müssen uns trotzdem bereits ab jetzt intensiv vorbereiten", berichtet Rupprecht. Das Kapitel "Dolmetscherin" ist damit nun zunächst einmal geschlossen. "Wobei, es hat ganz gut geklappt und auch Spaß gemacht", erzählt "Tiny Tina" . Sie kann eben wirklich weit mehr als nur die Fäuste fliegen zu lassen.

Roland Kaufmann