Eine Ära endet nach 49 Jahren

26.07.2007 | Stand 03.12.2020, 6:36 Uhr

Zum letzten Mal kamen gestern die übrig gebliebenen Internatsschüler und Pater Rolf Biegler zum gemeinsamen Mittagessen zusammen. Die Buben hatten sich Hühnchen mit Pommes frites gewünscht. Seit heute ist die traditionsreiche Einrichtung Geschichte. - Fotos: baj

Eichstätt (EK) In dem gemütlichen Gewölberaum mit den ockerfarbenen Wänden und den aufgemalten grünen Ranken steht der gedeckte Tisch bereit. Einige Buben kommen herein. "Zünden wir die Kerzen an", regt Pater Rolf Biegler an. Die Buben kramen mit ernsten Gesichtern Zündhölzer hervor. Es wird das letzte Mal sein, dass die Kerzen bei Tisch und in dem bunten gläsernen Halter direkt unter dem Kreuz brennen. Der letzte Tag im Internat der Knabenrealschule Rebdorf ist angebrochen.

Seit heute gibt es diese traditionsreiche Einrichtung nicht mehr. Eine fast 50-jährige Ära ist zu Ende gegangen.

Der Entschluss, das Internat zu schließen, kam nicht von heute auf morgen. Seit drei Jahren besuchen weniger als 50 "Interne" die Schule; in diesem Schuljahr waren es nur elf. Zu Glanzzeiten beherbergte das Internat 300 Schüler. "50 Schüler müssten es sein, damit es sich rechnet", berichtet Pater Rolf Biegler, der Leiter des Internats. Deshalb sei den Herz-Jesu-Misssionaren, die das Internat betreuten, keine andere Wahl geblieben.

Mit Wehmut berichten Pater Manfred Laschinger, der erste Internatsleiter, und sein letzter Nachfolger Pater Biegler von den vergangenen Jahrzehnten. Schon bald nach seiner Gründung hatte sich die Knabenrealschule dank ihres damals progressiven Konzepts einen sehr guten Ruf erworben. Aus ganz Bayern kamen damals die Schüler, bis aus Mittenwald und Garmisch. Das Internat bildete das Zentrum der pädagogischen Arbeit. Der Tagesablauf war vom Wecken über Studien-, Schul- und Freizeiten streng geregelt. Gleichzeitig wurde sehr viel geboten. Die Schüler spielten Theater, trieben auf modernen Anlagen Sport, führten Zeltlager durch und unternahmen Ausflüge. Ihrer Zeit voraus waren auch die Einzelzimmer für die älteren Schüler. Das Internat hatte einst insgesamt 100 Wohnräume. Durch viele Maßnahmen wurde die Sozialkompetenz der Schüler gestärkt. Auf diese Weise bildete Rebdorf für viele das Sprungbrett zu einer großen Karriere. Ein herausragendes Beispiel ist natürlich Rupert Stadler, heute Vorstandsvorsitzender bei Audi. Auch wenn es streng zuging – ein "Ausstieg" bei Nacht, um die Stadt unsicher zu machen, zog automatisch den Ausschluss nach sich – gab es unvergessliche Momente. Pater Biegler, selbst Zögling in Rebdorf, erinnert sich daran, wie seine Freunde und er einen Videofilm über den "Namen der Rose" drehten, nächstens und verbotener Weise. Die Gänge und Gewölbe boten die ideale Kulisse. Doch Pater Laschinger schlief nicht. Plötzlich stand er im Flur und alle stoben auseinander. Alle, bis auf den Kameramann, der ein eingeschränktes Gesichtsfeld hatte und den ganzen Zornesausbruch des Internatsleiters abbekam.

Doch die Zeiten wechselten. Die Verkehrsanbindungen wurden besser, mehr Realschulen wurden gebaut und auch die Mentalität änderte sich. So schickten immer mehr Eltern Kinder ins Internat, um sie zu disziplinieren. Diese Kinder gingen nach Rebdorf, weil sie mussten, und nicht mehr, weil sie wollten. Ganz schwierige Fälle lehnten die Herz-Jesu-Missionare ab, weil sie die hier nötige besondere Betreuung nicht leisten konnten. So sank die Zahl der "Internen" Jahr um Jahr. Allerdings wurde die Atmosphäre immer familiärer. Da den verbleibenden elf Schülern schon seit zwei Jahren bekannt war, dass die Patres das Internat schließen würden, hatten sie alle genügend Zeit, um über ihre Zukunft nachzudenken. So besuchen nächstes Schuljahr einige das Internat des Gabrieli Gymnasiums, um weiterhin in Rebdorf auf die Schule gehen zu können. Andere dagegen werden auf eine Realschule in der Nähe ihres Heimatortes wechseln. Die Zimmer der Jungen werden zu Klassenräumen umfunktioniert oder zur Unterbringung von Projektschülern genutzt. Pater Biegler wird auch in Zukunft als Seelsorger für seine Schüler da sein und außerdem Religionsunterricht erteilen. Am Montag sahen sich alle drei Internatsleiter nochmal mit den übrig gebliebenen Schülern die Zimmer des teilweise schon geräumten Internats an und erzählten aus ihren persönlichen Erinnerungen. Danach bliesen sie eine Kerze aus.