"Ein Vorbild an Mut und Tugendhaftigkeit"

Stadtheimatpfleger Hubertus Habel über den Coburger Mohren, gegen den gerade eine Aktion im Netz läuft

02.07.2020 | Stand 02.12.2020, 11:03 Uhr
Der Mohr, der den heiligen Mauritius darstellt, findet sich in Coburg überall - auch auf Kanaldeckeln. Das finden nicht alle gut. −Foto: Stadt Coburg

Coburg - Zwei Berliner Studentinnen haben eine bundesweite Unterschriftenaktion im Netz gestartet, um das jahrhundertealte Coburger Stadtwappen - den Mohren - abzuschaffen.

Schon mehrere tausend Menschen haben unterschrieben. Farbige Touristen feinden Stadtführer an, weil sie sich davon rassistisch herabgewürdigt sehen. Hubertus Habel, Historiker, Museumsleiter und langjähriger Stadtheimatpfleger der oberfränkischen Kommune, der über den Mohren auch promoviert hat, versucht die tatsächlichen historischen Hintergründe zu erklären: Der Mohr ist der heilige Mauritius, ein dunkelhäutiger Offizier aus dem damals zu Rom gehörenden Oberägypten. Er war Heerführer einer römischen Legion und ging im 3. Jahrhundert nach Christus für seinen christlichen Glauben in den Tod - ein "Vorbild" wie Habel sagt. Doch daran scheinen die Initiatoren nicht interessiert.

Herr Habel, hat man in Coburg den aktuellen gesellschaftlichen Trend von Black Lives Matter verschlafen: Ein Mohr als Stadtwappen geht ja wohl gar nicht, oder?
Hubertus Habel: Nein, das Thema ploppt hier immer mal wieder auf seitens spezieller Gruppen - vor allem aus dem studentischen Milieu -, dass man den heiligen Mauritius mit antirassistischem Impetus abschaffen will. In diesem Zusammenhang läuft auch die aktuelle Online-Unterschriftensammlung der beiden Berliner Studentinnen Juliane Reuther und Alisha Archie.

Wie stehen denn die ganz normalen Menschen in Coburg zu diesem Thema?
Habel: Die schütteln nur den Kopf darüber, vor allem die Alteingesessenen. Das Stadtwappen gehört für sie zum festen Bestandteil der kulturellen und historischen Identität ihrer Stadt, die bis ins Spätmittelalter zurückreicht und die Bezeichnung "Mohr" wird vollkommen wertfrei verwendet. Allerdings leben in Coburg Menschen aus mehr als 70 Ländern und längst nicht alle von ihnen haben sich mit dem Stadtwappen näher beschäftigt oder interessieren sich dafür.

Wer stört sich denn dann überhaupt vor Ort am Mohren?
Habel: Farbige Touristen, die nach Coburg kommen. Die schauen dann vor allem konsterniert auf die Kanaldeckel, die auch der Mohr ziert - aber das ist keine Coburger Besonderheit, sondern weltweit in vielen Städten der Fall, dass das Stadtwappen auf den Kanaldeckeln prangt. Eine Gruppe schwarzer Südafrikaner hat sich mächtig darüber aufgeregt, dass man hier Farbige angeblich mit Füßen tritt. Der Gästeführer hatte große Probleme, denen das zu erklären.
Kann es sein, dass die Kommunalpolitiker irgendwann doch einknicken - einfach, um endlich ihre Ruhe zu haben?
Habel: Das glaube ich nicht. Unser Zweiter Bürgermeister Hans-Herbert Hartan (CSU) hat jetzt mehrfach öffentlich erklärt, dass er es rundweg ablehne, dass irgendwas geändert wird. Diese Petition ist aus seiner Sicht absolut sinnfrei.

Haben denn die aktuellen Gegnerinnen mal das Gespräch mit Ihnen gesucht?
Habel: Nein. Da ist bisher noch niemand bei mir aufgeschlagen.

Wie viele Unterschriften sind denn im Netz inzwischen zusammengekommen?
Habel: Den exakten Stand weiß ich nicht, aber ich schätze, so rund 3000 - allerdings wohl bundesweit, nicht allein aus unserer Stadt.

Was ist eigentlich so spannend am heiligen Mauritius?
Habel: Er stammt aus dem damals zu Rom gehörenden Oberägypten, war im 3. Jahrhundert nach Christus - ungeachtet seiner Herkunft und Hautfarbe - militärischer Anführer einer römischen Legion, die wiederum in der römischen Provinz Helvetien, der heutigen Schweiz, stationiert war. Er sollte den als gottgleich verehrten Kaiser anbeten und das hat er verweigert, weil er ein gläubiger Christ war, für den es nur einen Gott gab. Deshalb wurde er hingerichtet und liegt am Fuß des Großen St. Bernhard begraben. Später wurde aus ihm, wie Georg, einer der Ritter-Heiligen. Er ist also eigentlich das genaue Gegenteil eines rassistisch abgewerteten Mannes, sondern vielmehr ein Vorbild an Mut, Charakterstärke und Tugendhaftigkeit.

So wie Sie das erklären, müssten das zwei Studentinnen doch eigentlich auch verstehen?
Habel: Ja, sollte man annehmen - wenn man bereit ist, sich mit dem Thema ernsthaft zu beschäftigen. Aber das haben die beiden Damen aus Berlin offensichtlich nicht getan. Ein wenig Hirnschmalz sollte man aber schon einsetzen. Deren ganze Petition baut auf einem Plagiat aus einem Buch auf. Das hat eine antirassistische Tendenz. Und was sie da als Argument daraus abgeschrieben haben - offensichtlich ohne es nachzuprüfen - ist wissenschaftlich gesehen falsch. Jeder, der den Begriff Mohr verwendet, wird da sofort in die rassistische Ecke gestellt. Angeblich käme der Begriff nicht nur aus dem Lateinischen, sondern auch aus dem Griechischen. Und da soll Morus "unwissend" oder "töricht" bedeuten und das wertet ab.

Und das stimmt nicht?
Habel: Das ist definitiv falsch, eine dreiste Behauptung. Wenn man es begrifflich genau nachprüft, dann landet man zum einen beim Gott des Untergangs und zum anderen bei einem Wort für Baby. Aber die griechische Herleitung ist ohnehin abwegig. Der Begriff leitet sich vielmehr aus der lateinisch geprägten Spätantike und dem Frühmittelalter her. Das althochdeutsche Lehnwort "Mor" - damals noch ohne "h" - des lateinischen "maurus" beschreibt schlicht und einfach das Aussehen von Menschen mit dunkler oder schwarzer Hautfarbe, die auch aus Mauretanien im nördlichen Afrika stammen können. Der Mann heißt ja auch nicht Mohritius, sondern Mauritius. Und streng genommen ist es auch kein Rufname, sondern verweist auf sein Aussehen.

DK

Das Interview führte André Paul.