Tarnów und die Homosexuellen

Pfaffenhofen legt Partnerschaft mit polnischem Landkreis wegen umstrittener Resolution erst einmal auf Eis

02.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:42 Uhr
Setzt sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) ein: Aktivistin Monika Bujak aus dem Landkreis Tarnów bei einer Demo für Gleichberechtigung in der polnischen Stadt Plock im vergangenen Jahr. −Foto: LGBT Tarnów

Pfaffenhofen - Der Landkreis Pfaffenhofen lässt die Partnerschaft mit dem polnischen Landkreis Tarnów zum 3. Juli auslaufen, weil dieser unter anderem die "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" verabschiedete.

Gegenüber dem polnischen Portal "Naszemiasto", erklärte der dortige Landrat von der nationalkonservativen Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), Roman Lucarz: "Passivität in dieser Angelegenheit wäre Ausdruck stillschweigender Zustimmung zu einem gesellschaftlichen Missstand. " Auf die Frage, ob er homophob sei, antwortete Lucarz: "Nein, denn ich verurteile nicht den Menschen, sondern die Sünde. " Diesen März reichte der Bürgerrechtsbeauftragte der Republik Polen sogar Klage am Krakauer Verwaltungsgericht gegen den Landkreis Tarnów ein.

Nach Bekanntwerden dieser Entwicklung in unserer Zeitung begann eine hitzige Debatte im Landkreis Pfaffenhofen. SPD-Kreisvorsitzender Markus Käser und die Grünen-Kreisvorsitzende Kerstin Schnapp forderten genau wie Norbert März, Gründer des Netzwerks "Queer Pfaffenhofen", die Partnerschaft bis auf Weiteres auf Eis zu legen. Die Partnerschaft sei einst entstanden, weil man den europäischen Gedanken ausbauen wollte, argumentierte beispielsweise Schnapp, "aber diesen sehe ich nun massiv in Gefahr". Die langjährige Verbindung dürfe nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, mahnte hingegen die Kreis-CSU, gerade jetzt sollte man auf Dialogbereitschaft setzen. Die AfD-Kreistagsfraktion forderte in einer Mitteilung, sich wegen der Wahlen aus den Angelegenheiten des Partnerlandkreises rauszuhalten. Nach der Präsidentschaftswahl in Polen am vergangenen Sonntag muss Amtsinhaber Andrzej Duda (PiS) am 12. Juli in die Stichwahl gegen den liberalen Kandidaten Rafal Trzaskowski.

Alt-Landrat Rudi Engelhard (CSU), der den Partnerschaftsvertrag im Jahr 2001 unterschrieben hatte, appellierte hingegen dafür, die einst als Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschland und Polen begonnene Partnerschaft fortzusetzen, und zwar ohne die Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender (LGBT)-Frage öffentlich zu thematisieren. Nur in privaten Gesprächen sei das angebracht. "Sie wollen von Deutschen nicht belehrt werden. "

Die betroffenen LGBT-Mitglieder im Landkreis Tarnów wünschen sich hingegen ein klares, offizielles Signal aus Deutschland. Sie hatten sich schon Anfang des Jahres zweimal per E-Mail an den Landkreis Pfaffenhofen gewandt und das Ende oder eine Aussetzung der Partnerschaft gefordert. Von den Schreiben erfuhr die Öffentlichkeit allerdings erst vor Kurzem, eines landete laut Landratsamt im Spam-Ordner, das andere habe man wegen Corona vertagt.

In einem weiteren Appell an die Kreispolitik betonen die Aktivisten, dass gerade die deutsch-polnische Geschichte den Landkreis Pfaffenhofen zu einer deutlichen Reaktion verpflichte, "denn wer weiß besser als Polen und Deutsche, wohin Hassreden und Enthumanisierung führen können? " Aktivistin Monika Bujak erklärt gegenüber unserer Zeitung, warum die Resolution ihrer Ansicht nach gefährlich ist, auch wenn sie keine rechtliche Konsequenzen hat: "Sie hat grünes Licht für physische Gewalt, Mangel an Respekt und Hassreden gegen LGBT-Mitglieder gegeben. " Andere LGBT-Mitglieder aus dem polnischen Landkreis berichten von Eltern, die ihre Kinder wegen deren Homosexualität aus dem Haus werfen, wie sie bei Demos bespuckt werden oder wie in der Schule Lehrer gezielt falsche Informationen zum LGBT-Thema weitergeben.

Im vergangenen Kreisausschuss einigten sich die Mitglieder schließlich darauf, einen offenen Dialog mit dem Landkreis Tarnow zu starten. Die Entscheidung über eine Fortsetzung der Partnerschaft soll der Kreistag im September treffen. Mittlerweile hat der polnische Landrat Lucarz auf einen Brief von Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner (FW) geantwortet, in dem dieser ihn bat, sich zu den Entwicklungen zu äußern. "Ich möchte Ihnen versichern, dass es unser Ziel ist, niemanden zu stigmatisieren, sondern polnische Familien und Kinder vor einer unserer Meinung nach schädlichen LGBT-Ideologie zu schützen", schreibt Lucarz unter anderem an Gürtner.

Gürtner soll nun für den Landkreis Pfaffenhofen in Gesprächen ausloten, wie eine gemeinsame Basis für eine mögliche Fortsetzung der Partnerschaft aussehen könnte und ob es dazu eine gemeinsame Grundlage gibt. Dabei soll auch die Charta der EU-Grundrechte einfließen. Darin heißt es, dass Diskriminierungen unter anderem wegen der sexuellen Ausrichtung verboten sind.

DK

Desirée Brenner