Hilpoltstein
Ein unerwartet kurzer Kurzurlaub

Platzverweis vom Bürgermeister für die Camper auf dem Wohnmobilstellplatz am Main-Donau-Kanal

12.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:22 Uhr
Ein Sehnsuchtsort für einige Camper nach der mehrwöchigen Ausgangssperre war der Wohnmobilstellplatz der Stadt Hilpoltstein am Main-Donau-Kanal. −Foto: Bleisteiner

Hilpoltstein - Kaum sind die Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie in Bayern gelockert worden, hat es am Wochenende schon die ersten Erholungsuchenden mit ihren Wohnmobilen an den Main-Donau-Kanal gezogen. Doch das Vergnügen war nur von kurzer Dauer: Nach mehreren Anrufen bei der Polizei wegen der zum jetzigen Zeitpunkt noch unerlaubt abgestellten Wohnmobile war es schließlich Bürgermeister Markus Mahl, der die Camper freundlich, aber bestimmt zum Verlassen der Platzes an der Lände bei Heuberg aufforderte. Der Dienststellenleiter der Polizei, Siegfried Walbert, steht hinter den Platzverweisen.

 

Die schnell wieder vertriebenen Reisenden hatten dagegen den sogenannten "Bayern-Plan" der Staatsregierung zur langsamen Lockerung der Schutzmaßnahmen zu ihren Gunsten interpretiert. Schließlich sind die Kurzurlauber in ihren Wohnmobilen völlig autark. Strom, Heizung, Wasser, Toilette - das alles funktioniert völlig eigenständig. Und so können die gültigen Hygiene- und Abstandsregeln problemlos eingehalten werden. Der Haken am Hilpoltsteiner Stellplatz am Main-Donau-Kanal ist jedoch: Da die Stadt eine tägliche Nutzungsgebühr in Höhe von sechs Euro kassiert, fällt dieser Stellplatz in die Kategorie Camping - und hierfür hat die Bayerische Staatsregierung eine klare Regelung. Erst ab dem 30. Mai dürfen Campingplätze wieder öffnen. Deshalb steht auf dem Stellplatz an der Lände bei Heuberg auch noch ein Schild der Stadt Hilpoltstein mit der Aufschrift "Die Benutzung des Stellplatzes wird gemäß der Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 untersagt".

 

"80 Prozent der Camper haben zugegeben, das Schild gelesen zu haben", sagt Bürgermeister Markus Mahl. Ihr Wohnmobil haben sie trotzdem abgestellt, manche wohl auch wegen der langen Anreise. Schließlich waren schon am Freitagnachmittag nicht nur die Kennzeichen aus der näheren Umgebung am Kanal zu sehen, sondern auch Fahrzeuge aus den Landkreisen Weilheim-Schongau oder Garmisch-Partenkirchen und sogar aus Schleswig-Holstein.

Während einige der Neuankömmlinge gerade erst ihre Campingtische und Liegestühle aufklappten, lagen andere längst in der Sonne, blickten aufs Wasser oder hielten ein Nickerchen unter freiem Himmel. Jutta Koch aus Nürnberg saß in ihre Zeitung vertieft vor ihrem Campingbus. Neben ihr hatte es sich ihr Mischlingshund Pauli bequem gemacht. "Ich bin eigentlich nur da, weil der Bus unbedingt wieder bewegt werden muss. Er stand jetzt so lange rum. Sonst muss die Batterie schon wieder aufgeladen werden", sagte die 65-Jährige. Am Morgen hatte sie noch überlegt, wo sie denn am besten hinfahren könnte. Dann war ihr der Platz am Kanal eingefallen. "Vor ungefähr 20 Jahren hab ich hier aber auch mal richtig gecampt so für ein oder zwei Nächte", sagte Koch. Heute nutzt sie ihren Campingbus eher für Kurztrips in die Münchener Gegend, um dort ihre Bekannten zu treffen.

 

Aus Murnau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen waren Irene und Karl-Heinz Kisskalt angereist. Die beiden hatten sich hier mit Anne und Hans-Jürgen Rehwinkel aus Feucht getroffen und geplant, bis Sonntag zu bleiben. Die befreundeten Ehepaare kommen häufig an den Kanal. "Das ist einer der schönsten Plätze und es läuft hier alles so herrlich unkompliziert ab", sagte Karl-Heinz Kisskalt und schwärmte von den vielen schönen Fahrradwegen, der Nähe zum Rothsee, den Einkaufsmöglichkeiten und der Gastronomie in Hilpoltstein. Normalerweise gehen die beiden Ehepaare gerne ins Restaurants und Gaststätten, doch in diesen Tagen gibt es eben Essen "to go". Das wird teilweise sogar geliefert.

"Eine Pizzeria hat ihre Flyer unter den Campern verteilt und am Abend gleich die Pizza geliefert. Und heute holen wir uns was vom Griechen", sagte Kisskalt. "Wenn wir schon nicht dorthin reisen dürfen, holen wir uns wenigstens die kulinarischen Leckereien hierher", fügte Anne Rehwinkel hinzu. Normalerweise führen die Reisen der beiden Paare mit dem Wohnmobil nach Italien oder Frankreich - "Hauptsache ans Meer". "Aber Wasser haben wir hier ja auch und es ist besser als daheim", sagte Hans-Jürgen Rehwinkel, der für die jetzige Zeit eigentlich in Kroatien Urlaub geplant hatte. "Als unser Landesvater gesagt hat, aus der Ausgangsbeschränkung wird eine Kontaktbeschränkung, ist uns ein Stein vom Herz gefallen. Irgendwann wäre die Stimmung gekippt", sagte Rehwinkel, der in diesem Moment noch nicht ahnte, dass es ihm bald selbst die Stimmung verhageln würde.

 

Jutta und Siegfried Kliemesch aus Schwarzenbruck fuhren früher gerne mit dem Wohnwagen in den Urlaub. Jetzt kauften sich die beiden ein Wohnmobil und unternahmen ihre Premierenfahrt an den Main-Donau-Kanal. Die erste größere Reise mit dem neuen Fahrzeug soll dann nach Italien führen. "Heuer aber auf keinen Fall mehr - selbst, wenn es in diesem Jahr noch erlaubt werden sollte", sagte der Rentner. "Es gibt ja auch bei uns schöne Ziele wie die Nordsee oder die Seenplatte".

Ralf Reiniger aus Würzburg kommt mit seiner Frau, ganz unabhängig von der aktuellen Coronakrise, schon seit etwa zehn Jahren immer wieder mal an den Kanal. "Als wir die Nachricht von der Lockerung gehört haben, haben wir sofort unsere Sachen gepackt und sind losgedüst" , sagte der 40-Jährige. Das erste Ziel war die Mosel. Zwei bis drei Tage wollte das Ehepaar dann noch am Kanal bleiben. Dieser Plan ist dann aber nicht mehr aufgegangen.

 

Ebenso wenig wie für Feng-Shui-Berater Mark Sakautzky aus Ahrensburg bei Hamburg. Er ist mit seinem Feng-Shui-Mobil quer durch Deutschland unterwegs. Berufliche Termine führen Sakautzky jetzt nach Bayern. "Ich habe auch einen Kunden in Hilpoltstein, deshalb übernachte ich immer wieder mal hier", sagte er am Freitagnachmittag. Zu dieser Übernachtung am Main-Donau-Kanal sollte es dann aber auch für ihn nicht mehr reichen.

Denn die Polizei informierte nach den eingegangenen Hinweisen den Hilpoltsteiner Bürgermeister. Und dieser machte sich am späten Freitagnachmittag letztendlich selbst auf den Weg, um sich ein Bild der Lage zu machen. "Als ich runtergegangen bin, war zwar alles o.k., was die aktuellen Abstandsregelungen betrifft", sagte Markus Mahl. Er ließ aber keinen Zweifel daran, dass Wohnmobilstellplätze wie jener am Main-Donau-Kanal ebenso wie alle Campingplätze erst zu Pfingsten wieder öffnen dürfen. "Sollte es vor dem 30. Mai eine Sondergenehmigung dafür geben, werden wir den Platz natürlich freigeben und das Verbotsschild sofort entfernen."

Wie der Bürgermeister berichtete, habe er sich bei seinem Einschreiten persönlich mit allen Campern unterhalten. Er habe dann jeden Einzelnen dazu aufgefordert, den Platz beizeiten zu räumen. "Aber sie durften schon noch zu Abend essen und in Ruhe zusammenpacken", fügte Mahl hinzu. Bis auf zwei oder drei Ausnahmen hätten alle Camper auch Verständnis für den Platzverweis gezeigt und versprochen, noch am Abend abzureisen.

Rechtliche Folgen oder Bußgeldbescheide seitens der Polizei muss immerhin keiner der verscheuchten Kurzurlauber befürchten, betont Siegfried Walbert, der Dienstellenleiter der Hilpoltsteiner Polizei. Er zeigt sogar Verständnis, dass manchen Campern die Sachlage alles amdere als klar erscheint. "Was darf man und was darf man nicht?" . Das sei für die Bürger in der aktuellen Situation oft schwer nachzuvollziehen, zumal sich derzeit ständig neue Lockerungen auftun würden, sagt Walbert. "Vom Grundsatz her ist es aber schon richtig, den Platz nicht zu öffnen. Denn wenn die einen öffnen dürfen und die anderen nicht, fühlen sich viele ungerecht behandelt oder benachteiligt und das zieht wieder einen großen Rattenschwanz hinter sich her", sagt der Dienststellenleiter.

Von allen Wohnmobilbesitzern ist jetzt also noch etwas Geduld gefragt. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als abzuwarten oder auf eine Sonderregelung noch vor dem 30. Mai zu hoffen. Doch spätestens zu Pfingsten dürfte es dann wieder voll am Kanal werden.

HK