Die Nachricht war wegen seines Gesundheitszustandes lange erwartet worden. Und doch kam sie jetzt überraschend. Helmut Kohl ist gestorben. Der Tod der politischen Jahrhundertgestalt erschüttert die Republik. Mit ihm geht ein großer Staatsmann, ein überzeugter Europäer, der maßgeblichen Anteil an der europäischen Einigung hatte und als Kanzler den Weg zur Deutschen Einheit mit geebnet hat. Der "schwarze Riese" aus Oggersheim stand am Ende wie ein Monolith, wie ein Fels in der Brandung in der politischen Landschaft.
Er, der seinen Bruder im Krieg verloren hatte, um die Gnade der späten Geburt und den Wert von Frieden und Freiheit wusste, hat sich stets für die Wahrung dieser Werte eingesetzt. Er war ein leidenschaftlicher Politiker mit einem tiefen historischen Bewusstsein. Kohl hatte Größe und Rückgrat, lenkte Deutschland 16 Jahre lang als Kanzler, führte das Land durch historisch bewegte und wirtschaftlich erfolgreiche Zeiten, prägte seine Partei wie nur Konrad Adenauer vor ihm.
Europa war ihm eine Herzensangelegenheit, die EU und der Euro eine Versicherung gegen Krieg und neu aufkommenden Nationalismus. Der Mann aus der Pfalz machte auch die Pflege der transatlantischen Beziehungen zu seiner stetigen Aufgabe. Als sich die Chance zur Deutschen Einheit ergab, hat er - anders als andere - entschlossen zugepackt, mit Instinkt, Geschick und auch Glück die Weichen dafür gestellt, dass die früheren Alliierten und Partner ihre Widerstände aufgaben und Deutschland wieder zusammenwachsen konnte.
Seine Gegner rieben sich an ihm, rieben sich auf. Dass er es nicht vermocht hatte, seine politische Nachfolge in den eigenen Reihen rechtzeitig zu organisieren, sich zurückzuziehen, und dass er in der Spendenaffäre das Gesetz gebeugt hat, wirft einen Schatten auf das Ende seiner Kanzlerschaft. Es mindert aber nicht die historische Leistung und sein gewaltiges Lebenswerk. Das Bild von ihm und dem französischen Präsidenten Francois Mitterand Hand in Hand auf den Gräbern von Verdun ging um die Welt, steht nicht nur für die deutsch-französische Freundschaft, sondern für ein wiedervereinigtes Europa, für Versöhnung und dafür, dass aus Feinden Freunde geworden sind. Dafür zollen ihm heute selbst seine politischen Gegner von gestern Respekt und Anerkennung. Helmut Kohl hat sich als Kanzler um Deutschland und Europa wie nur wenige verdient gemacht und die europäische Nachkriegsgeschichte entscheidend geprägt.
