Scheyern
Ein Stück europäische Geschichte

1532 wird hinter den Klostermauern der Vertrag von Scheyern geschlossen

08.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:20 Uhr

Scheyern (SZ) Vor knapp 500 Jahren ist im Kloster Scheyern ein Stück europäische Geschichte geschrieben worden. Im Vertrag von Scheyern schmiedeten Frankreich, Bayern, Hessen und Sachsen ein Bündnis gegen die Habsburger, für das der französische König Franz (1493 – 1547) viel Geld in die Hand nahm.

Im Mai des Jahres 1532 herrscht große Aufregung im Kloster Scheyern. Hoher Besuch hat sich angekündigt. Es wird ein Treffen geben zwischen einem Abgesandten des Königs von Frankreich, einem Herrn du Bellay de Langey, einem Vertreter des Landgrafen von Hessen, Johann Feige, einem weiteren des Kurfürsten von Sachsen namens Johann von Minckwitz und zwei Repräsentanten der Herzöge von Bayern, nämlich Johann Weißenfelder und einem Herrn, der sich Bonus Accursus Grynaeus nannte.

Es ist die Zeit der Reformation mit dem Konflikt einerseits zwischen dem katholischen Kaiserhaus unter Kaiser Karl V., in dessen Reich „die Sonne nicht untergeht“, da es auch Spanien und die Kolonien in der Neuen Welt umfasst, und den deutschen Fürsten andererseits, die sich von den übermächtigen Habsburgern eingeschränkt fühlen und um die „teutsche Libertät“ (Freiheit) fürchten. Die Herzöge von Bayern sind bei der alten Religion geblieben und gelten deshalb als natürliche Verbündete des habsburgischen Kaisers gegen die Anhänger Luthers.

Nun kommen die Vertreter Bayerns aber mit den Repräsentanten des lutherischen Sachsen und Hessen zusammen, denn auch Bayern fürchtet das Übergewicht des Kaisers mit seiner enormen Hausmacht. Deshalb paktiert man auch mit den Anhängern der neuen Lehre. Der Herr du Bellay aus Frankreich war nach Scheyern geschickt worden, weil Frankreich als Hauptkonkurrent der Habsburger um die Vormacht auf dem europäischen Kontinent Verbündete unter den Reichsfürsten sucht und in Bayern einen solchen zu finden hofft.

Aber warum trifft man sich ausgerechnet im Kloster Scheyern und nicht in einer der bedeutenden Städte Süddeutschlands wie Augsburg, Nürnberg und Regensburg, in denen die wichtigen Reichstage und Konferenzen dieser Zeit stattfinden? Dafür dürfte es zwei Gründe geben: Zum Einen sind die genannten Orte als Reichsstädte dem Kaiser eng verbunden und deshalb nicht die geeigneten Plätze für ein Bündnis gegen ihn. Zum Anderen hat das Kloster zu dieser Zeit einen Abt, Johannes Turbeit, der mit der Regierung des Herzogtums bestens vernetzt ist. Er gehört dem Herzoglichen Geheimen Rat an, ist ein Förderer des Johannes Aventinus, des Vaters der bayerischen Geschichtsschreibung, und ist in diversen politischen Missionen tätig. Er hat seit seiner Wahl zum Abt im Jahr 1505 das Kloster um eine Reihe von Zweckbauten erweitert und sich einen Ruf als fähiger Verwalter erworben, der die Kasse saniert und Rücklagen angelegt hat. Was die religiösen Konflikte dieser Zeit anbelangt, so steht er fest zur katholischen Seite, was nicht selbstverständlich ist, denn auch einige bayerische Klöster haben sich schon der neuen Lehre angeschlossen. Abt Johannes ist eng verbunden mit einem der profiliertesten Gegner Luthers, dem Ingolstädter Professor Dr. Johannes Eck, den der Reformator auch kurz „Dreck“ zu nennen pflegt.

Wie die Verhandlungen der Vertreter der deutschen Fürsten und des Königs von Frankreich in Scheyern im Einzelnen ablaufen, wissen wir nicht. Für das Kloster müssen hohe Kosten angefallen sein. Die Politiker kamen sicher mit einer Reihe von Gefolgsleuten, vom Schreiber bis zum Pferdeknecht. Sie alle müssen untergebracht und verpflegt werden.

Am 26. Mai 1532 wird schließlich der Vertrag von Scheyern unterzeichnet. Eingefädelt hat das Bündnis mit Frankreich und den evangelischen Reichsfürsten wohl der gerissene bayerische Kanzler Leonhard von Eck. Es wird verabredet, dass die unterzeichnenden Parteien gegen die bereits stattgefundene Wahl des Kaiserbruders Ferdinand zum Römischen König protestieren sollten. Um eventuelle Kriegshandlungen gegen die Habsburger zu finanzieren, verspricht Frankreich, 100 000 Kronen an einem sicheren Ort in Deutschland zu hinterlegen, was einige Zeit später auch geschieht. Der Vertrag von Scheyern steht somit am Beginn der bis in die Zeit Napoleons immer wieder aufgenommenen Zusammenarbeit mit Frankreich und stellt eine bedeutende, wenngleich weitgehend unbekannte Etappe in der Geschichte der auswärtigen Beziehungen Bayerns dar.

Agnes Reuß ist Lehrerin am Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen für Englisch und Spanisch sowie Fachbetreuerin für Geschichte. Die Pfaffenhofenerin hat erste Informationen zu dem weithin unbekannten Vertrag in einem Werk zur Geschichte der frühen Neuzeit gefunden und diese durch eigene Recherchen, unter anderem in der „Chronik von Scheyern“ von Pater Anselm Reichhold, ergänzt.