Neuburg
Ein seltenes Lob für das Nahwärme-Projekt

Bund Naturschutz sieht Neuburger Mammutinvestition als beispielhaft für Bayern – Stadtwerkechef kündigt weitere Vernetzung an

18.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:17 Uhr

Neuburg (szs) Es kommt selten genug vor, dass der Bund Naturschutz (BN) ein Lob ausspricht. Gestern war es so weit: Das Nahwärmeprojekt der Stadt Neuburg sei beispielhaft in ganz Bayern, erklärte die Organisation in einer Pressekonferenz. Oberbürgermeister Bernhard Gmehling und Stadtwerkechef Richard Kuttenreich erklärten bei der Gelegenheit, wie es bei der Mammutinvestition weitergeht.

„Wir würden gerne viel öfter loben“, sagte Herbert Barthel, Referent für Energiefragen im Landesverband des BN. „Und wir würden uns wünschen, wenn noch mehr Gemeinden diesem Neuburger Beispiel folgen.“ Der Grund für das Lob? Die lokale Kombination aus Nutzung industrieller Abwärme gemeinsam mit flexiblen Blockheizkraftwerken für die kommunale Versorgung.

„45 Jahre lang wurde die Abwärme in den Glaswerken in die Luft abgegeben, seit kurzem wird die Wärme gefasst und weitergeleitet“, erklärte Günter Krell, Kreischef des BN. Die enorme Hitze, die in den Neuburger Glaswerken St. Gobain Oberland benötigt wird, um das Glas zu schmelzen, ging vorher mit 360 Grad Celsius in die Atmosphäre. Jetzt wird sie dafür verwendet, eine wasserähnliche Flüssigkeit zu erhitzen, die dann weitergeleitet wird und unter anderem die Luftwaffe, Donaumalz und Audi in Neuburg mit Wärme versorgt. „Unser Vorteil ist, dass wir mit Donaumalz einen stetigen Abnehmer haben“, erklärte OB Bernhard Gmehling. Hier liege der Nukleus des Gesamtkonzepts. Die Glaswerke produzieren an 365 Tagen im Jahr Wärme, Donaumalz braucht an 365 Tagen im Jahr Wärme für die Trocknung. Das passt. In Wohnhäusern hätte man zum Beispiel mit einem Sommerloch zu kämpfen. „Ein solches Projekt kann nur erfolgreich sein, wenn ich für meine Wärme auch Abnehmer habe“, diktierte Gmehling in die Blöcke der Journalisten.

Stadtwerkechef Kuttenreich erinnerte an die Anfänge vor knapp zehn Jahren – mit einem Energienutzungskonzept rund um die Frage: Wo sind Potenziale, wo Abnehmer? Heute ist Neuburg in vier Wärmeabnahmegebiete eingeteilt. „Aus industrieller Abwärme wird Heizwärme für zu Hause. Das gewährleisten fünf Blockheizkraftwerke mit insgesamt 2,6 Megawatt elektrischer Leistung und rund 3,1 Megawatt Wärmeleistung sowie Gaskesselanlagen. Zwei Wärmespeicher zur Speicherung der Wärmeenergie sind derzeit in Betrieb, zwei weitere in Vorbereitung“, so Kuttenreich. Nach Oberland-Glas soll im kommenden Jahr Rockwool Wärme liefern, später auch Knauf Perlite.

Wie sehr die Stadt an das Projekt glaubt, zeigen die Kosten. Mit 137 Millionen Euro ist das Gesamtvolumen beziffert. „Wir geben jedes Jahr rund zehn Millionen für die Umsetzung aus. Es wird 15 bis 20 Jahre dauern, bis das Gesamtkonzept steht“, erklärte der Stadtwerkechef.

Wie groß ist das Risiko für den theoretischen Fall, dass die industriellen Wärmelieferanten abwandern oder zuschließen? „Das sind alles Firmen, die seit Jahrzehnten in Neuburg bestehen“, erklärte OB Gmehling. Man setze extra auf drei Säulen, nicht auf eine. Und außerdem sei die Versorgung selbst ohne die Drei noch gesichert. Durch das Nahwärmenetz entstünden auch große Standortvorteile für die Betriebe. „Allein die Stadt Neuburg spart im Jahr 500 000 Euro an EEG-Abgabe“, sagte Kuttenreich und nutzte die Pressekonferenz noch für ein Werbestatement: „Wenn jemand die Nahwärme nicht nimmt, dem ist nicht mehr zu helfen. Der Preis ist unschlagbar.“