Pfaffenhofen
Ein schwieriger Bayer

Thoma-Abend im Pfaffenhofener Rathaus mit Michael Lerchenberg zwischen Penne und Bordell

14.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:03 Uhr

Das Eberwein-Ensemble begleitete Michael Lerchenberg (rechts): Matthias Klimmer an der Klarinette, Max Seefelder am Kontrabass und Marlene Eberwein an der Harfe. - Foto: Paul

Pfaffenhofen (SZ) Sein Programm "Ludwig Thoma - ein schwieriger Bayer" hat Schauspieler Michael Lerchenberg gemeinsam mit dem Eberwein-Ensemble am Freitagabend im Festsaal des Pfaffenhofener Rathauses präsentiert.

Die "Lausbubengeschichten" gehen natürlich immer: wie der Pennäler Ludwig den Papagei der ungeliebten Tante Frieda mit kaltem Wasser und Zündpulver malträtiert. Verdient hat sie es schließlich, die Frieda: Jammert der armen Mutter die Ohren voll, dass der verstorbene Papa wegen seines Studiums ihre Aussteuer aufgebraucht hat und sie deshalb unter ihren Möglichkeiten heiraten musste; und rächt sich obendrein noch dadurch, dass sie Schwester Ännchen die gute Partie mit dem Amtsrichter Steinberger zu verderben sucht: "Er schielt. Und er hat eine Glatze - bestimmt, weil er zu viel Bier trinkt." Nein, die Tränen von Mama und Schwester kann der junge Ludwig nimmer mit ansehen: "Ich will schon machen, dass die Tante auch heult!"

Die Szenen dürften die meisten im Kopf haben: Oft genug läuft die Verfilmung ja im Fernsehen. Und hier ist der Volksschauspieler Michael Lerchenberg - bekannt geworden unter anderem als Double des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) beim Salvator-Singspiel auf dem Nockherberg und als Pfarrer in der TV-Krimiserie "Der Bulle von Tölz" - auch ganz in seinem Element. Die hohe, unangenehm schrille Stimme der Tante Frieda, das Brummen des im Stimmbruch befindlichen Ludwig, das Weiche der Mama: Er beherrscht sie alle, wechselt mühelos zwischen den Figuren hin und her, erweckt die Charaktere zum Leben. Das war der gelungene Teil des Abends, weil absolut familienkompatibel.

Doch Thoma (1867 - 1921) war deutlich mehr als nur der gemütliche, bodenständige Unterhaltungsautor mit weiß-blauem Lokalkolorit. Einerseits gesellschaftlich liberal, ja progressiv: Befürworter der freien Liebe, leidenschaftlicher Kirchenkritiker und bekennender Rauschmittelgenießer - und andererseits ein glühender Nationalist, Gegner der Frauenbewegung und überzeugter Freund des Militärs. Würde Thoma heute leben - er wäre wohl gleichzeitig für die Grünen und für die AfD.

Doch bei diesen Charakterzügen stößt Lerchenberg an seine Grenzen. Er schildert die Seiten zwar, er liest auch von dessen sexuellen Exzessen zeugende Textpassagen vor. "Bitte um umgehende Überweisung einer Summe nach Paris, habe kein verfüg- und verfickbares Geld mehr" - so die Anweisung an seinen Verleger der Satirezeitschrift "Simplicissimus", wo Thoma seit 1900 als Chefredakteur tätig war. Doch bleibt der Teil des Programms blutarm, vorgetragen mit emotional angezogener Handbremse, eine Art germanistisches Hauptseminar im Kleinkunstformat.

Doch womöglich fremdelt der Moralist Lerchenberg (die Hartz-IV-Gesetze etwa verglich er mal mit den Verhältnissen in einem KZ) auch mit dieser Seite Thomas. Der ist halt ein "schwieriger" Bayer - wobei hierzulande inzwischen ja alles als "schwierig" gilt, was nicht dem politisch korrekten Meinungsmainstream entspricht. Lerchenberg erliegt dem Bedürfnis, sich seinen Thoma glatt zu bügeln, kompatibel zu machen.