Roth
Ein schweres Pfund

03.04.2011 | Stand 03.12.2020, 2:59 Uhr

Wohl einer der Besten zurzeit: Ausnahmegitarrist Henrik Freischlader überzeugt in Roth. - Fotos: Tschapka

Roth (mes) Vor zwei Wochen hat Peter Frampton die 20. Rother Bluestage mit einem superben Konzert eröffnet. Das eigentliche Festival – ein Dutzend Konzerte in neun Tagen – hat allerdings erst am Samstagabend in der Kulturfabrik begonnen. Und das mit einem Fest für alle Freunde der sechs Saiten.

Für die Idee, die beiden an einem Abend spielen zu lassen, muss man den beiden Festivalmacherinnen Monika Ammerer-Düll und Silke Rieger danken. Hier der ungestüme Kanadier Bowskill, der seine Stärken vor allem dann hat, wenn es richtig laut zur Sache geht, dort das filigrane Nordlicht Freischlader, der vor allem in den ruhigen Stücken offenbart, warum er zu den besten Bluesrockgitarristen überhaupt gehört.
 

Den Abend eröffnen darf natürlich Bowskill, der trotz seiner gerade einmal 20 Jahre schon auf eine über achtjährige Bühnenkarriere zurückblicken kann. Zusammen mit seinen ebenfalls jugendlichen Mitstreitern, Ian Wilson am Bass und Dan Reiff an den Drums, bietet er ein Programm abseits aller Wunderkindattitüden. Die an Humble Pie erinnernde Musik ist getragen von starken Melodien und einer nach vorne peitschenden Energie. Dabei kommt Bowskill stimmlich dem legendären Sänger der Small Faces und von Humble Pie, Stece Marriot, erstaunlich nahe. Beeindruckend ist sein Volumen. Mühelos übertönt er Schlagzeug, Bass und Gitarre. Dabei bleibt sein Ton immer sauber und klar. Bowskill ist ein ausgezeichneter Gitarrist, noch besserer Songschreiber und ein überragender Sänger, den man sicher nicht das letzte Mal in Roth gesehen hat.

Bereits zum dritten Mal ist Hendrik Freischlader Gast bei den Bluestagen. Zuletzt sorgte er im vergangenen Jahr für Furore, nun ist er schon wieder an Ort und Stelle. Man müsse die Gelegenheit nutzen, so lange man ihn sich noch leisten könne, begründet Monika Ammerer-Düll die Besonderheit, dass Freischlader nun schon wieder da ist. Und nicht nur die proppenvolle Kulturfabrik gibt ihr Recht, sondern auch das, was zweieinhalb Stunden auf der Bühne passiert.

Das Schöne an Freischlader ist, dass er jenseits allen Könnens auf der Bühne Spaß hat und dies sich nicht nur in den launigen Ansagen äußert, sondern vor allem in der Art und Weise wie er seine musikalischen und technischen Fähigkeiten auslebt. Er schafft es dabei aber auch, das Publikum jederzeit einzubeziehen, es mitsingen zu lassen und zu Begeisterungsstürmen hinzureißen.

Und Freischlader lernt ständig dazu. Von Jahr zu Jahr kommen neue Nuancen hinzu, werden die überflüssigen Töne, die bei zweieinhalb Stunden Gitarrenschlacht schwer vermeidbar sind, immer weniger und das Spiel immer originärer. Freischlader beherrscht es wie zurzeit nur wenige, ein zehnminütiges Solo spannend zu gestalten. Auch die schnellen Teile haben Struktur und sind nicht nur Selbstzweck.

Den größten Teil des Abends bestreitet Freischlader aus seinem eigenen – rasant anwachsenden – Songfundus. Er ist aber auch ein grandioser Interpret, eindrucksvoll zeigt er es das beispielsweise bei Peter Greens "I Loved Another Woman" oder Etta James’ "I Would Rather Go Blind". Dass er das alles an diesem Abend so wunderbar hinkriegt, liegt aber auch an seinen präzisen Mitstreitern Teofilos Fotiades am Bass, Moritz Fuhrhop an der Hammond und dem wuchtigen Björn Krüger an den Drums. Fazit: Das Pfund, mit dem die Jubiläumsbluestage mit dem Vorabhighlight Frampton und dem Festivalstarter Freischlader bisher wucherten, ist ein schweres – hoffentlich erdrückt es den Rest nicht.