Peutenhausen
Ein Original auf dem American-Football-Feld

Markus Köstler aus Peutenhausen hat eigentlich nur mit seiner Waage gewisse Schwierigkeiten

30.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:23 Uhr
Bei der Arbeit: Wenn Markus Köstler (schwarzes Trikot) zupackt, gibt es für die Gegner meist kein Weiterkommen. −Foto: R. Lüger

Peutenhausen (SZ) Seine Größe? Kein Problem: exakt 2,00 Meter. Nur mit dem Körpergewicht ist das so eine Sache.

Markus Köstler würde dies ja gerne nennen. "Aber ich weiß es schlichtweg nicht genau", so der 39-Jährige: "Jedes Mal, wenn ich mich auf meine Waage stelle, erscheint dort die Anzeige ,Bitte nur eine Person'. "

Prompt ist ein breites Grinsen in seinem Gesicht zu sehen. Aber er kann auch anders - als kompromissloser Bestandteil der Defense Line der Ingolstadt Dukes. Ihn aus dem Weg zu räumen: schlichtweg unmöglich. Trotz seines für American-Football-Verhältnisse vergleichsweise hohen Alters. Trotz so mancher Wehwehchen, die seine bisherige Karriere so mit sich brachte.

Köstler ist noch ein Athlet alter Schule - kein Dampfplauderer, kein "Poser". "So etwas wie eine herausragende Technik besitze ich nicht. Meine Aufgabe ist ganz einfach, ich brauche nur die Mitte zuzumachen", sagt er augenzwinkernd - beziehungsweise wohl wissend, dass pro Spielzug stets zweimal mindestens 120 Kilogramm vom Gegner auf ihn zustürzen. Aber "Heidi", wie er allerorts nur liebevoll genannt wird, bleibt normalerweise stehen wie eine Wand. An ihm vorbeizukommen: keine Chance.

Seit seinem 15. Lebensjahr betreibt Köstler nun schon diesen kraftraubenden Job. "Begonnen habe ich damals in Königsbrunn", erinnert er sich: "Und irgendwann schaute dort mal der 'Eugene' zu, war irgendwie sofort von mir angetan - und verpflichtete mich kurzerhand für sein Team. " Dieses hieß zu jener Zeit noch Schrobenhausen Fighting Bayrisch, war in der Regionalliga aktiv - und "Eugene", der natürlich niemand anderes als Eugen Haaf ist, fungierte damals noch als dessen "Macher". "So kam es, dass ich mit nur 17 Jahren meine ersten Einsätze im Erwachsenenbereich hatte - als Fullback in Freundschaftspartien", erzählt Köstler: "Und nach meiner Lehre zog ich dann sogar komplett nach Schrobenhausen, um dort meinen Sport ausüben zu können. "

Ja, ja, die gute alte Zeit. "Heidi" kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn er daran zurückdenkt: "Gerade unsere Offense-Line mit Leuten wie ,Eugene', Herby Unger, Rene Finger, Peter Dasch oder Rainer Bodenstein wurde von allen Konkurrenten regelrecht gefürchtet. Ja, obwohl wir so ein kleiner Verein waren, hatten wir als Fighting Bayrisch durchaus Erfolg. " Umso trauriger war's dann für alle Beteiligten, dass es irgendwann am Geld haperte, um das ganze Projekt in Schrobenhausen fortzusetzen zu können. Für Köstler ging es deshalb zurück nach Königsbrunn - und in sportlicher Hinsicht wechselte er zu den Starnberg Argonauts. "Aber nicht sehr lange, nach nur einem halben Jahr war für mich dort wieder Schluss", erinnert er sich schmunzelnd: "Da war mir einfach zu viel Schickimicki. So tauchte etwa ein Howard Carpendale immer wieder bei den Trainings beziehungsweise Spielen auf, das ging aus meiner Sicht gar nicht. "

"Heidis" Welt sind eben nicht, wie bereits erwähnt, die "Poser". Ebenso wenig die Berge, um gleich mit einem anderen Gerücht aufzuräumen. So hat sein Spitzname definitiv nichts mit dem weltberühmten kleinen Mädchen beim "Alm-Öhi" in den Schweizer Alpen zu tun. Vielmehr stammt er aus den "Police Academy"-Kultfimen der 80er Jahre, in denen ein nicht gerade kleiner Sergeant namens Moses Highto-wer regelmäßig sein Unwesen trieb. Exakt so wie dieser hatte Köstler schon damals ein Faible für kleine Autos. Und als der große Schwabe dann mal mit einem wahrlich überschaubaren Renault R5 bei einem Training der Fighting Bayrisch vorfuhr, wurde eben spontan "Hightower" aus ihm.

"Ein Stück weit war das natürlich auch eine finanzielle Sache. In diesem jungen Alter konnte ich mir halt einfach keine größeren Autos leisten", erklärt Köstler lachend. Einmal ganz davon abgesehen gebe es ja schlimmere Spitznamen. Selbst, dass dann aus "High-tower" in der Kurzform "High-di" und inzwischen "Heidi" wurde - kein Problem für den Zweimeterhünen. Jeder kennt ihn so, jeder respektiert ihn so, jeder mag ihn so. Das ist ihm das Wichtigste.

Mehr noch. "Heidi" hat längst einen Kultstatus inne. selbst ein eigener Fanclub für ihn ist vor einigen Jahren in Ingolstadt gegründet worden. Danach hatte es Anfang der 2000er, nach seinem Intermezzo in Starnberg, überhaupt nicht ausgesehen. Köstler hängte damals nämlich seine American-Football-Schuhe vorübergehend an den Nagel - zwangshalber, aufgrund fehlender Vereine in der Nähe, für die er auf einigermaßen hohem Niveau hätte spielen können.

"Natürlich hat es mich weiterhin unter den Fingern ,gebitzelt'", erinnert er sich in feinstem Schwäbisch. Das Wissen, immer noch das Können für größere Aufgaben besitzen, sowie die Erinnerungen an die schönen Schrobenhausener Zeiten - all das spukte ihm zu jener Zeit durch den Kopf.

Der Kontakt zu Haaf war allerdings abgebrochen gewesen. Folglich wusste Köstler in Königsbrunn auch nicht, dass sein Kumpel von einst in Ingolstadt wieder etwas auf die Beine gestellt - dass er im Jahr 2007 die Dukes aus der Taufe gehoben hatte. Zumindest bis zu jenem Tag irgendwann 2011, an dem sich "Heidi" und "Eugene" doch wieder in Gersthofen trafen - und über ihre gemeinsame Leidenschaft plauderten. Ein Besuch von Köstler beim damaligen Dukes-Aufstiegsspiel in Richtung Regionalliga folgte - und schon nahmen die Dinge ihren Lauf: Der einstige Fighting Bayrisch wurde ein "Herzog". Und er zog auch wieder in den Altlandkreis Schrobenhausen - nach Peutenhausen.

"Natürlich war ich darüber froh", gibt Köstler zu: "Es hat mir in den Jahren ohne American Football immer etwas gefehlt - und das wäre jetzt nicht anders. " Der 39-Jährige bezeichnet es "fast schon als eine Art Hassliebe", die ihn mit diesem Sport verbindet: "Mein Körper sagt mittlerweile eigentlich Nein dazu - denn wenn ich am Samstag ein Spiel bestreite, kann ich froh sein, wenn ich mich bis zum Mittwoch einigermaßen davon erholt habe. Aber andererseits sehe ich, dass ich mit den Jungen weiterhin sehr gut mithalten kann - obwohl beinahe die Hälfte von ihnen meine Söhne sein könnten. "

Dass er mit den Dukes seit 2017 in der höchsten nationalen Spielklasse (GFL 1) vertreten ist, dass er sich seitdem mit den Besten der Besten in Deutschland messen darf - "natürlich ist es schön für das eigene Ego", gibt der Peutenhausener gerne zu. Sein großer Traum, den er sich in sportlicher Hinsicht noch erfüllen möchte? "Irgendwann mal einem wirklich Großen aufs Maul zu hauen", antwortet Köstler lachend. Ja, ein Sieg gegen einen der drei führenden Bundesligaklubs - die Braunschweig Lions, die Schwäbisch Hall Unicorns oder die Frankfurt Universe - ein solcher fehlt "Heidi" noch in seiner Sammlung. Ebenso wie eine eigene Teilnahme am German Bowl, dem großen Finale um die Deutsche Meisterschaft. "Aber in diese Hinsicht ist der Zug für mich abgefahren", sagt Köstler lachend: "Dafür bin ich viel zu vereinstreu. Und mit den Dukes werde ich's wohl leider nicht mehr erleben. "

Also muss sich der 39-Jährige aktuell an anderen Dingen erfreuen. Zum Beispiel an der Möglichkeit, am heutigen Samstag (Beginn um 16 Uhr) die traditionsreichen Munich Cowboys in die Abstiegs-Play-offs zu schicken. Ein Ingolstädter Sieg in München, und die "Herzöge" hätten den Erzrivalen in der Tat auf den allerletzten Tabellenrang zurückgeworfen. Und dann? Wie lange wird es das Dukes-Original namens "Heidi" noch auf den American-Football-Feldern dieser Republik zu sehen geben? "Ich kann es nicht sagen", antwortet er: "Es kann ganz schnell gehen, dass es vorbei ist. Oder auch nicht. "

Roland Kaufmann