Neuburg
Ein Meisterjäger, der niemals tötet

Naturfilmer Günter Heidemeier dokumentiert die Artenvielfalt der renaturierten Donau-Auen bei Neuburg

12.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:37 Uhr

Neuburg/Eichstätt (DK) Den Fischadler bei der Jagd, die Wildsau beim Nickerchen, den Laubfrosch bei der Balz: Günter Heidemeier hatte die scheuen Stars schon alle vor der Linse. Derzeit begeistert sich der Naturfilmer aus Eichstätt für ein bemerkenswertes Projekt: die Renaturierung der Donau-Auen.

Mit dem Geländewagen geht es tief in den Wald. Die Bäume tragen Knospen. Die Frühlingssonne lockt sie raus. Heidemeier hält. Er hat etwas entdeckt. Der 68-Jährige – klein, flink, grauer Bart – pirscht sich an einen Tümpel heran. Darin rührt sich auf den ersten Blick gar nichts. Bei genauem Hinsehen finden sich darin unzählige Kröteneier. Graugrün wabern sie im seichten Wasser. „Das hat sich alles durch die Wiedervernässung entwickelt“, schwärmt der Naturfilmer. Überall Leben.

Kaum jemand kennt die Auen zwischen Neuburg und Ingolstadt besser als Heidemeier – und diese Schönheit will er jeden mit seinen Augen sehen lassen. Das Problem dabei: Die Hauptdarsteller in diesem Naturschauspiel scheuen jedes Publikum. Um sie ins Rampenlicht zu rücken, bedarf es viel Geduld, viel Erfahrung und einer teuren Ausrüstung.

„Man braucht einfach absolut professionelles Material“, sagt Heidemeier. Im Heck seines Geländewagens türmen sich deshalb Stative, Leuchten und Kameras. Er arbeitet mit Brennweiten von bis zu 3500 Millimetern – Formel-1-Wagen unter den Objektiven. Für die schlüpfenden Kröten wird er eine Endoskopkamera brauchen. „Damit kannst du unter Wasser, ohne dass die das merken.“ Mit diesem Stabobjektiv filmt er die Amphibien aus einem Zentimeter Entfernung, superscharf in High Definition.

Doch bis zum Schlüpfen dauert es noch. Die Fahrt geht weiter, vorbei am neu geschaffenen Umgehungsbach. Er schlängelt sich parallel zur Donau und verteilt das Wasser in den Auen wie eine Ader, wenn er geflutet wird. Heidemeier hat ihn bereits mit dem Kanu abgefahren. „In den Steilhängen können sich Eisvögel Bruthöhlen bauen“, erklärt er. Der Biber fühlt sich schon jetzt sichtlich wohl. Die unzähligen Insekten, die an warmen Tagen über dem Wasser tanzen, locken Fledermäuse. „So viele Individuen habe ich sonst noch nirgends gefunden“, erzählt Heidemeier. Wasserfledermaus und Abendsegler: Ihre Orientierungsrufe macht er mit einem „Bat-Detector“ hörbar – sie knacken wie Morsecodes.

„Ich will zeigen, wie sich die ökologischen Flutungen auf die Tier- und Pflanzenwelt auswirken“, sagt der Naturfilmer im Auftrag des Wasserwirtschaftsamtes. Das Renaturierungsprojekt sei eine einmalige Chance. Beim nächsten Halt wird deutlich, was Heidemeier meint: In der letzten Kurve vor dem Zufluss in die Donau gräbt sich der Umgehungsbach immer tiefer in den Hang und spült ihn weg. „Das ist ein Musterbeispiel für die Entstehung einer Aue“, erklärt der studierte Physiker, hält und filmt mit einer Handkamera die herabstürzende Erde.

Der Eichstätter hat sich auf die heimische Natur spezialisiert. „Bären in Alaska filmen kann jeder“, sagt er. „Da laufen dir die Viecher über die Füße. Aber versuch’ mal einen einfachen Graureiher zu filmen. Der haut sofort ab.“

Hinter dem Dickicht, direkt an der alten Donau, spannt Heidemeier sein Tarnnetz auf, fixiert die Kamera auf dem Stativ und blickt über das Wasser. Wie viele Stunden er schon bei Hitze, Kälte, Wind und Wetter darin verharrte, habe er sich nie gefragt, sagt er. Warum auch? Er liebt das.

Ein Mäusebussard kreist am Himmel und ruft sein „Hiiiääh“ in die Luft, die nach getauter Erde riecht. „Wer planscht denn da“, flüstert der Naturfilmer. Graugänse. Heidemeier stellt scharf. Nichts passiert. Er drückt auf Record. Warten. Dann, wie auf Kommando, beschleunigen die Vögel, pflügen durchs Wasser und steigen in die Höhe. Heidemeier blickt vom Sucher auf und grinst. „Im Kasten.“

Zurück im Schnittstudio in Eichstätt flackern fünf große Bildschirme nacheinander auf. Zehn Fernbedienungen liegen auf dem Arbeitstisch. Auf mehreren Festplatten sind die Aufnahmen archiviert, nach Tierart sortiert. Heidemeier muss sie nur noch zusammenschneiden.

Er drückt auf Play. Eine Geburtshelferkröte bringt ihre Jungen ins Wasser. Schnitt. Ein Bienenfresser lässt sich seine surrende Beute auf einem Ast schmecken. Schnitt. Ein Silberreiher stolziert durchs seichte Wasser. Schnitt. Eine Wildsau döst neben ihren Frischlingen im Wald. Schnitt. Ein Eisvogel schießt ins Wasser. Schnitt. Eine Uferschwalbe füttert ihre bettelnden Jungen. Schnitt. Ein Laubfrosch quakt sein „Äpp, äpp, äpp, äpp“, in den Sonnenuntergang.