Ingolstadt
Ein Koffer zum Staunen

06.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:26 Uhr

Klara, Heidi und der Geißenpeter steckten im Koffer, den Erzählerin Katrin Wunderlich mit zur Premiere brachte. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) "Theater aus dem Koffer": Das kam man als Konzeptvorlage offensichtlich ganz konträr begreifen. Nämlich, wie Regisseur Jürg Schlachter, in den genannten Koffer ein ganzes Theater packen, inklusive Mini-Spielfiguren, -kulissen und -requisiten: Der Koffer selbst wird dann zur Bühne. Oder, wie Tim Heilmann, das Spontane, Stegreifartige, das im Thema liegt, zum Motto machen: Dann ist der Koffer nur ein Stück Ausstattung für lustvoll theatrales Spiel.

So geschehen im Kleinen Haus, wo beide gestern Nachmittag das neue Format der mobilen Kindertheaterproduktionen mit je zwei Stücken vorstellten. Und dem jungen Publikum ab vier Jahren einen vergnüglichen Nachmittag, zu besuchen in zwei Doppelvorstellungen, bescherten. "Pinocchio", "Heidi", "Wickie und die starken Männer" und "Ein Bär namens Paddington" standen auf dem Spielplan; Kinderbuchklassiker neu erzählen will schließlich das "Theater aus dem Koffer", das sich wie die früheren mobilen Produktionen an Kindergärten oder erste Grundschulklassen wendet. Den Aufwand der kleinen Gastspiele aber noch einmal verschlankt: Ein Erzähler (oder eine Erzählerin), ein Tisch, ein Stuhl, der Koffer und 30 Minuten Zeit liefern die Eckdaten für die Produktionen.

Wobei es aber durchaus detailreich zugehen kann, wie sich bei Jürg Schlachters Kurzinszenierungen zeigte. Seinem Erzähler Richard Putzinger gibt er einen prallvollen Koffer in die Hand, in dem nicht nur Pinocchio, Fuchs und Kater, Kasperlpuppen, die singende Grille und sonstige Kleinfiguren stecken, sondern auch Zirkuskulisse, Kasperltheaterbühne, Walfischmaul und jede Menge Kopfbedeckungen, die Putzinger für seine abenteuerreiche Geschichte braucht. Ein wenig Puppentheater bekommt man so zu sehen, souverän von Putzinger geführt, der selbst auch in viele Rollen schlüpft.

Nicht ganz so viel hantieren, den Koffer logistisch leeren und bestücken muss anschließend Katrin Wunderlich in "Heidi". Eine warmherzige, temperamentvolle Geschichtenerzählerin ist sie in der Rolle der gelähmten Klara, die Heidis bekanntes Schicksal im Rückblick erzählt. Schön glückt ihr das Füllen ihrer und der kleinen Puppenfiguren.

Von ihnen ist, eine Stunde später, bei Heilmann nicht die geringste Rede. Nicht nur, dass Ole Micha Spörkel kein "Hallo, liebe Kinder" ruft, er schleudert erst mal seinen Koffer auf den Boden und dann achtlos dessen kargen Inhalt raus. Indes: Aus den wenigen weißen Teilen wird spielerisch Wikinger-Ausstattung, der einsame Tisch unversehens zur Fallgrube, zum Gefängnis oder zur Rechentafel. Und Spörkel performt alle mit Stimme und Gestus selbst: vom dicken Wikinger bis zum cleveren Wickie.

Eher von der plumpen Sorte ist dagegen die Hauptfigur, die wenig später Jennifer Kornprobst auf die Bühne und ins gleiche, vielleicht noch reduziertere Konzept Heilmanns bringt. Der sprechende Bär Paddington, zu Hause bei der Familie Brown, ist eine britische Kinderbuchfigur von bezaubernd tölpelhaftem Charme, und Kornprobsts Nachspiel seiner Abenteuer (trotz deren verletzungsbedingter Halskrause) ein bäriger Genuss!

Theater aus dem Koffer gibt es wieder am 24. Januar 2010 um 15 Uhr im Kleinen Haus.