Riedenburg
Ein Klimawald für sechs Generationen

Im Forstrevier Riedenburg werden Eichen gesät - Bestenfalls 200 Jahre bis zur Hiebsreife

12.11.2020 | Stand 02.12.2020, 10:09 Uhr
Eine Eichensaat ist ein seltenes Ereignis: Hier machen sich der Riedenburger Revierleiter Stefan Weber (links) und Thomas Gess ans Werk. −Foto: Erl

Riedenburg - Architekten erschaffen Gebäude und hoffen, dass Menschen sie für mehr als eine Generation nutzen können. Wenn Forstwirt Thomas Gess und seine Kollegen vom Forstbetrieb Kelheim drei Tage lang kleine Eicheln in den Boden legen, dann wissen sie, dass die künftigen Bäume daraus den Menschen der nächsten sechs Generationen gute Luft, einen schattigen Wald und zum Schluss wertvolles Holz geben werden.

Es kommt nicht oft vor, dass die Waldarbeiter eine Eichensaat anlegen können. Mehrere Faktoren müssen dafür zusammenkommen, wie Bernhard Daffner als stellvertretender Leiter des Forstbetriebs erläutert. Es muss ein sogenanntes Mastjahr geben, in dem die Alteichen besonders viele Eicheln tragen und es muss eine geeignete Waldfläche bereitstehen, auf der die Sämereien in gut vorbereiteter Erde aufgehen können.

Im Forstrevier Riedenburg hat der 26-jährige Revierleiter Stefan Weber im Staatswald auf der Jurahochfläche gleich neben dem Naturschutzgebiet Klamm so eine Fläche ausgemacht. Borkenkäfer hatten die Fichten massiv befallen und Weber hat die Chance genutzt, die gesamte Fläche von etwa einem Hektar bis auf ein paar schattenspendende Kiefern und Buchen zu räumen. Eichen brauchen viel Licht zum Wachsen und so ein Schirm aus einzelnen Altbäumen bietet obendrein etwas Schutz vor Sonne und Frost. Eine traktorgezogene Fräse hat wenige Tage zuvor den Boden streifenweise aufgelockert und Rillen gezogen, in die Gess und drei Kollegen die Eicheln dicht an dicht legen.

Das Saatgut stammt aus dem Nachbarrevier Hienheim, das mit seinen zertifizierten Beständen seit Jahrhunderten in Fachkreisen bekannt ist für die Qualität seiner Eichen. Mit einem Rechen wird abschließend nur ein wenig Erde darübergezogen, damit die bereits keimenden Eicheln gut anwachsen können.

Bevor allerdings die erste Eichel in den Boden kam, musste ein stabiler Zaun gegen Wildschweine und Rehe aufgebaut werden. Die tierischen Feinschmecker würden sonst alle Anstrengungen zunichtemachen. "Es gibt Beispiele, wo Wildschweine die gesäten Eicheln schon in der ersten Nacht wieder ausgegraben und gefressen haben", erzählt Daffner. Auch später, wenn die jungen Bäume wachsen, müssen sie so gegen den Verbiss durch Rehe geschützt werden.

Es hat einen praktischen Grund, warum die Waldarbeiter rund 400 Kilogramm Eicheln pro Hektar so dicht in den Waldboden legen. "Zum einen finden wir die in dichter Reihe gesäten Sämlinge in den nächsten Jahren inmitten der Begleitvegetation besser, um sie pflegen zu können. Und zum anderen können wir dann die besten Pflanzen für einen künftigen stabilen Bestand auswählen", weiß der Revierleiter.

Wie gut die Methode funktioniert, weiß Forstwirt Herbert Rappl als einziger in der Runde mit entsprechender langjähriger Praxiserfahrung. Als Lehrling hat er im Jahr 1982 im Revier Schlott schon mal so eine Eichensaat erlebt. "Der Bestand schaut jetzt bombig aus", schwärmt er. Daffner ist ohnehin überzeugt, dass die Saat deutliche Vorteile gegenüber einer Pflanzung hat, selbst wenn sich die Kosten auf bis zu 8000 Euro je Hektar belaufen. "Die Sämlinge bilden gleich tiefe Wurzeln aus, sind dadurch stabiler und widerstandsfähiger und wir können später in der Pflege und bei Durchforstungen die besten Bäume für die Zukunft auswählen", erläutert der Fachmann.

Denn diese Eichen sollen später auch einmal eine stabile Insel im umgebenden überwiegenden Nadelwald sein, um im Klimawandel zu bestehen. "Im Umkreis von etwa einem Kilometer gibt es sonst keinen Eichenbestand. Eine Eichenkultur ist zwar mit das Teuerste, was man als Forstkultur machen kann. Aber es passt sehr gut in das Konzept Klimawald, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgerufen hat", unterstreicht Daffner.

Daher haben die Forstleute nun einen Eichenwald angelegt, der bestenfalls 200 Jahre bis zur Hiebsreife wachsen kann. Wenn Daffner voraussichtlich in 20 Jahren in den Ruhestand geht, werden auf dieser Fläche voraussichtlich nur dünne Stämmchen bis in eine Höhe von zehn Metern stehen. Revierleiter Weber kann bei seinem Ruhestand in 40 Jahren bestenfalls schon Holz aus einer Durchforstung als Zaunpfosten oder zur Parkettherstellung verkaufen.

Aber daran denkt ohnehin noch keiner von beiden. Ihre Gedanken gelten der aktuellen klimagerechten Waldumgestaltung und da haben sie mit dieser Eichensaat einen wichtigen Anker für die Zukunft geschaffen.

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