"Ein Herzstück der Stadt, ein Knotenpunkt"

Museum als große Chance für Ingolstadt

21.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:35 Uhr
Simone Schimpf setzt sich dafür ein, dass das MKKD so gebaut wird, wie es geplant ist. Gerade die Geschosshöhe sollte hoch genug sein, um auch große Kunstwerke zu präsentieren. −Foto: Hauser

Direktorin Simone Schimpf versteht das neue Museum für Konkrete Kunst und Design als große Chance für Ingolstadt. In dem Gebäude soll Kunst als spektakuläres Erlebnis vermittelt werden, aber auch der Bildung und Gesundheitsförderung dienen.

Frau Schimpf, der Bau des neuen Museums für Konkrete Kunst verläuft beschwerlich. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie darüber nachdenken, dass das Museum nach dem ursprünglichen Plan eigentlich schon 2017 hätte eröffnet werden sollen?

Simone Schimpf: Ich kam 2013 nach Ingolstadt in der Hoffnung, dass 2017 das Museum eröffnet wird. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt - was eigentlich nicht überrascht. Denn das wäre für öffentliche Bauten sehr ungewöhnlich. Aber: Es schleppt sich dahin, und es ist inzwischen eine lange Zeit vergangen. Da fällt es manchmal schwer, sich immer wieder zu motivieren. Auf der anderen Seite haben wir breiten politischen Zuspruch und klare Zusagen vom Oberbürgermeister. Er steht zum Museum, es wird kommen. Also sehe ich es positiv: Wir haben nun die Zeit, das Projekt noch genauer vorzubereiten.

Derzeit geht es um eine erweiterte Projektgenehmigung. Es wird erneut über die Baukosten gestritten, die ja auf über 32 Millionen Euro gestiegen sind. Gibt es denn die Möglichkeit, das Museum billiger zu bauen?

Schimpf: Wir haben uns jahrelang bemüht, die Kosten im Rahmen zu halten. Nun ist die Situation aber diese, dass das gesamte Museum bis ins letzte Detail durchgeplant ist. Ich glaube nicht, dass man jetzt noch grundlegende Dinge verändern kann, doch das liegt in der Zuständigkeit des Hochbauamts.

Was würde es denn bedeuten, wenn man jetzt noch die Deckenhöhe des Ausstellungsraumes um 1 Meter reduzieren würde, von 4,5 Meter auf 3,5 Meter?

Schimpf: Ich fände das bedenklich. Wir haben sehr großformatige Objekte, die wir beispielsweise in unseren momentanen Räumlichkeiten nicht zeigen können. Es wäre schlecht, wenn wir im neuen Museumsbau wieder ähnliche Probleme bekämen. Zudem geht es auch um die Raumwirkung. Der große Ausstellungsraum wirkt dann einfach gestaucht, drückend, wenn die Deckenhöhe zu niedrig ist. Andere Museen, etwa das Neue Museum in Nürnberg, haben sogar eine Deckenhöhe von 5,6 Metern im Wechselausstellungsbereich.

Diskutiert wurde auch, das bereits geplante Museumscafé aus Kostengründen wieder zu streichen. Nun soll es wohl doch kommen, wie zu hören ist?

Schimpf: 2015 hat der Stadtrat ein Museumscafé beschlossen. In der aktuellen zweiten ergänzenden Projektgenehmigung sind die Kosten für die Ausstattung auch weiterhin enthalten. Alle Anschlüsse und Leitungen sind sowieso bis ins letzte Detail geplant und in den Baukosten enthalten. Ich gehe davon aus, dass der Stadtrat bei seiner Entscheidung bleibt, zumal ein neues Museum unbedingt für die beabsichtigte Aufenthaltsqualität eine Gastronomie braucht.

Nun wurde auf Wunsch der CSU-Fraktion ein neues Betriebskonzept erstellt, ein wirklich eindrucksvolles Buch. Warum war das nötig?

Schimpf: Ich finde, es ist sehr berechtigt von einem Stadtrat wissen zu wollen, was das alles in Zukunft kosten wird, was wir machen und leisten. Das ist ein wichtiger Beitrag für eine transparente Diskussion. Mit dem nun vorliegenden Betriebskonzept, das federführend von Stefanie Wendl aus dem Kulturreferat und gemeinsam mit dem Museum erarbeitet wurde, können nun den Zusammenhang zwischen unseren Angeboten, dem zu erwartenden Nutzen und dem dafür notwendigen finanziellen und personellen Aufwand aufzeigen. Wir konnten darstellen, dass das MKKD das öffentliche Herzstück eines neuen Areals wird, ein Treffpunkt für die Stadtgesellschaft, ein Knotenpunkt der Kreativwirtschaft zusammen mit dem brigk und der THI und ein Museumsdreieck mit dem Lechner-Museum und dem Armeemuseum.

Was kann das neue MKKD leisten, was bisher nicht möglich war?

Schimpf: Bisher konnten wir Ausstellungen zeigen - aber nur mit bestimmten Einschränkungen. Das neue Museum wird viel attraktiver als Erlebnisort sein. Außerdem: Wir hatten bisher nur ganz beengte Verhältnisse für die Kunstvermittlung. Wir habe da viel unternommen in den vergangenen Jahren, waren aber durch die räumlichen Bedingungen sehr eingeschränkt. Gerade diese Museumsnutzung wird zunehmend wichtig. Die Besucher heute wollen nicht nur Bilder betrachten, sie wollen Wissensvermittlung, sie wollen auch selbst aktiv werden und partizipieren. So planen wir das auch im neuen Museum. Da gibt es dann Sitzinseln, wo der Besucher etwas lesen oder hören kann. Wir bieten Mulitmediaguides und wir planen im Untergeschoss auch eine Art Sinneswahrnehmungszone.

Erstmals wird es auch die Möglichkeit geben, die Design-Sammlung zu zeigen?

Schimpf: Genau. Wir haben eine wirklich umfassende Sammlung, die bisher kaum zu sehen war.

Es gibt ja bereits Design-Museen in München und Nürnberg. Wie wird sich Ihr Museum da unterscheiden?

Schimpf: Das sind Top-Museen. Die Neue Sammlung in München ist deutschlandweit die beste und größte. Da kommen wir überhaupt nicht gegen an, und das wollen wir auch nicht kopieren. Unsere Stärke liegt darin, anhand bestimmter Themen Konkrete Kunst und Design zusammenzubringen. Das haben wir bereits in den vergangenen Jahren erfolgreich erprobt, zum Beispiel in der Ausstellung über Logos. In diesem Jahr wird es um Diagramme gehen. Aber: Es wird bei uns keine klassische Design-Dauerausstellungen geben. Wir werden keine Vitrinen aufstellen und zeigen, wie sich zum Beispiel der moderne Stahlrohrstuhl entwickelt hat. Der Besucher soll stattdessen für die Grundfragen der Gestaltung sensibilisiert werden: Was passiert, wenn das Balkendiagramm nicht blau, sondern rot dargestellt ist? Verändert das meine Wahrnehmung?

Wie bedeutsam ist das neue Museum für Ingolstadt? Im Gegensatz zu den meisten umliegenden Städten, von Augsburg bis Regensburg, gibt es hier nur eine sehr reduzierte Museumslandschaft.

Schimpf: Wir haben hier eine riesige Lücke, was Museen betrifft. Deshalb ist das MKKD auch so ungeheuer relevant. Die umliegenden Städte investieren alle enorme Summen in Kultur. Mit München brauchen wir uns natürlich gar nicht zu vergleichen. Nürnberg bewirbt sich gerade als Europäische Kulturhauptstadt und investiert bereits im Vorfeld Millionen, nur für das Konzept. Regensburg ist bereits Weltkulturerbestadt. Und Augsburg bewirbt sich gerade als Unesco-Stadt, als Wasserstadt. Warum machen die das? Weil das heute zu einem modernen Stadtmarketing gehört. Warum besucht man heute eine Stadt? Wegen der attraktiven Innenstadt, aber man benötigt natürlich touristische Alleinstellungsmerkmale. Und da gehört ein Kunstmuseum einfach zum Portfolio. Da können wir speziell mit unserem einzigartigen Profil etwas Neues und Wichtiges liefern.

Ausgerechnet mit Konkreter Kunst?

Schimpf: Ja, gerade. Konkrete Kunst hat viel mit Alltag zu tun, mit Dingen, die jeder kennt und die unsere moderne Welt bestimmen: Logos, Verkehrszeichen, Algorithmen. Gerade für die Konkrete Kunst braucht man kein Vorwissen, sondern kann sich dem Sinneserleben hingeben.

Sie wollen im neuen Museum auch ein Digital Art Lab anbieten? Was ist das genau?

Schimpf: Digitalisierung ist für uns ein großes Thema. Es geht uns darum, dass die Besucher nicht nur etwas passiv anschauen, sondern am Computer selber etwas gestalten können. Bereits in den Osterferien starten wir das Digital Art Lab für Kinder und wollen darauf aufbauend ein neuartiges Konzept für alle Besucher im zukünftigen Museum entwickeln. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen: Man hat ein Computerprogramm, an dem man selber ein Design-Objekt erfinden und gestalten kann. Der Besucher kann ausprobieren, wie er ein Objekt runder oder eckiger gestaltet oder ihm eine andere Farbe gibt, wie Form und Funktion zusammenkommen. Wir wollen eine pädagogisch sinnvolle und trotzdem eine unterhaltsame Nutzung der digitalen Medien vermitteln, sodass Kinder nicht nur passiv konsumieren, sondern selber kreativ werden.

Damit wird das Museum auch zur Bildungseinrichtung?

Schimpf: So verstehen wir uns. Wir liefern ästhetische Bildung, vor allem aber auch Kreativitätsbildung - digital und klassisch mit allen Sinnen und Materialien. Damit richten wir uns an Schulklassen und an Kitas ebenso wie an die Einzelbesucher. Ich stelle mir vor, dass die Kinder am Sonntag in unser Atelier kommen, während die Eltern noch im Museumscafé brunchen. Danach geht die ganze Familie zur Familienführung, beteiligt sich an einer Rätseltour oder erprobt sich im Spielelabor.

Bei aller Liebe zu Digitalisierung: Hat das Originalwerk nicht immer noch einen ganz besonderen Wert?

Schimpf: Natürlich. Und besonders in unserem Museum, wo gerade bei der Konkreten Kunst oder etwa der Op-Art Werke mit einem ganz besonderen Erlebniswert verbunden sind, gerade wenn es etwa um optische Täuschungen oder Verfremdungen geht. Wir wollen spektakuläre Erlebnisse vermitteln, wir wollen, dass die Besucher darüber sprechen: Hast du diesen faszinierenden Farbraum gesehen? Weißt du, wie rot auf dich wirkt, wie blau?

Aber Museen können doch auch Orte der Entspannung, der Verinnerlichung sein?

Schimpf: Das ist das andere Konzept, das wir verfolgen. Wir werden zusammen mit dem bayernweiten Städtenetzwerk Stadtkultur zusammenarbeiten. Die haben ein Programm mit dem Titel "Kunst und gesund" aufgelegt. Und da wir auch Meditation im Museum angeboten haben, sind wir daran beteiligt. Dieses Projekt wird von der AOK gefördert. Denn die AOK ist der Überzeugung, dass Kunst regenerierend, gesundheitsfördernd wirkt. Die kanadischen Museen sind auf diesem Felde übrigens schon viel weiter. Sie haben bereits Health-Abteilungen mit Kunstkuratoren. Museen erfinden sich in dieser Beziehung gerade neu. Museen wurden ja traditionell als nationale Repräsentationsorte verstanden. Heute geht es um den einzelnen Besucher, der etwas Besonderes, für ihn Wichtiges finden kann: Unterhaltung genauso wie Entspannung und Bildung.

Das Museum steht an einem historisch bedeutsamen Ort?

Schimpf: Ja, auch das wollen wir nicht vergessen, etwa wenn wir den Multimediaguide anbieten. Der Stadtrat hat sich ja für dieses Baukonzept entschieden, um möglichst viel von der alten Kanonengießerei zu erhalten. Wir werden in diesem Museum auch unzählige Geschichten aus der Historie der Stadt erzählen, angefangen vom mittelalterliche Festungsbau über die einsetzende Industrialisierung. Ich weiß nicht, ob es so viele Orte in der Stadt gibt, die so anschaulich Stadtgeschichte durch die Jahrhunderte darstellen.

Das Interview führten

Jesko Schulze-Reimpell

und Katrin Fehr.
ZUR PERSONSimone Schimpf ist seit 2013 Direktorin des Museums für Konkrete Kunst, zuvor war die promovierte Kunsthistorikerin stellvertretende Direktorin und Kuratorin am Stadtmuseum Stuttgart.