Ingolstadt
Ein Herrenhemd neben Holzköpfen

Die Neujahrsausstellung der Gruppe Brückenkopf vereint wieder Klassisches mit Originellem

02.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:59 Uhr

Holz bearbeitet er am liebsten: Der Bildhauer Norbert Zagel (oben) ist heuer Gastaussteller der Gruppe Brückenkopf. Auch diesmal kamen viele Besucher zur Neujahrsvernissage ins Foyer der Leo-von-Klenze-Schule am Brückenkopf. Die Schau dauert bis 8. Januar. Die Gruppe gibt es seit 20 Jahren. - Fotos: Rössle

Ingolstadt (DK) Seit 20 Jahren schon stellt die Künstlergruppe Brückenkopf stets am Neujahrstag aktuelle Werke aus. Auch diesmal kamen wieder viele Betrachter zur Vernissage. Wie immer führte Siegfried Hofmann in die Schau ein. Gastaussteller ist der Bildhauer Norbert Zagel.

Grell haben sie’s da in Las Vegas. Krachert geradezu. Auf den ersten Blick erinnert das Kasinoparadies aus der Hand Rosemarie Memmlers an ein Höllenfeuer. Auf den zweiten Blick auch noch. Glühendes Gelb und Orange im Zentrum deuten die irren Lichter der Glücksspielstadt an. Ein bizarres Lodern von alttestamentarischer Dramatik, das nach und nach, zur Wüste hin, in Düsternis übergeht. Der Name des Werks „Sündenbabel im Neonlicht – Las Vegas“. Entstanden nach den (so ist zu vermuten) ambivalenten Eindrücken von einer Amerikareise der Brückenkopf-Künstlerin.

Siegfried Hofmann, der fachkundig in die Werkschau einführte, wusste Memmlers USA-Impressionen auch im Kontext ihrer Arbeiten zu würdigen: „Ein reiches Werk, welches der Unerschöpflichkeit nachspürt.“ Davon kündeten auch die weiteren Bilder der Serie, die Golden Gate Bridge bei San Francisco etwa oder der Grand Canyon.

In Memmlers zweiter, kleinformatiger Serie erkennt Hofmann markante Miniaturen als partes pro toto für die Welt. „Wir sehen hier Signaturen als Komprimierung von Erfahrungen.“

Im Beitrag Hannelore Fents hob Hofmann allem voran die Darstellungen von Einsamkeit, Zweisamkeit und Verlorenheit hervor: eine nasse Straße ohne Menschen, Glaskugeln in einem fast leeren Raum, perlende Wassertropfen im Wechselspiel von Licht und Schatten. „Alles ganz aparte Bilder“, lobte Hofmann, der langjährige Ingolstädter Kulturreferent „eingefangen in zeitloser Schönheit“.

In den Gemälden Albert Mittermaiers erkennt Hofmann von jeher „ein Bekenntnis zum Malerischen schlechthin“. Doch er erschöpfe sich nie im Abbilden, sondern betätige sich „als Philosoph, dessen Denken weit zurückreicht in eine Zeit vor aller kritischen Vernunft, die Zeit des Urtümlichen und Rätselhaften“. Das demonstriere der Künstler besonders gelungen in seinem neuen Werk „Wilde Jagd“.

Bei Franz Schiessl stellt sich seit Jahren die Frage, welchen Kadaver er in einem Gemälde verewigt. Doch nach einer Maus und einer Kröte hat es jetzt mal ein ausgedientes Herrenunterhemd in Acryl auf die Leinwand geschafft. „Franz Schiessl ist ein Analytiker unter den Malern“, erklärte Hofmann. „Er löst sich scheinbar vom Emotionalen und wirkt wie ein Anatom.“ Aber nur scheinbar, denn auf diesem Weg „entdeckt er die Schönheit des Morbiden, den verborgenen Reiz des Weggeworfenen.“ Mancher Laie im Publikum dürfte an der Stelle wohl schon darüber sinniert haben, mit welchen organischen Preziosen Schiessl im kommenden Jahr prunkt.

Helga Schiessl wusste der Laudator gleichwohl zu würdigen: „Sie experimentiert stets, greift nach Neuem aus. Die Blicke der Betrachter werden in ihre Bilder geradezu hineingezogen!“

Tradition hat bei der Gruppe Brückenkopf ein Gastaussteller. Diesmal ist es der Bildhauer Norbert Zagel. Der gebürtige Neuburger schafft zum einen so genannte Kunst im öffentlichen Raum aus bleibendem Material wie Metall und Stein; die Skulptur am Eingang der Realschule Kösching stammt etwa von ihm. In der Brückenkopf-Schau präsentiert Zagel seine filigranen Holzarbeiten mit den bewusst rauen Oberflächen: Köpfe und Häuser sowie Häuser mit Köpfen. „Das Spannende an dieser Arbeit ist, dass ich keine zweite Chance habe. Was ich vom Holz wegnehme, das ist auch für immer weg“, erklärte der Künstler. Das sei ein Unterschied zu den Plastikern, die könnten alles zurecht modellieren.

Zagel interpretiert das Prinzip der Holzbearbeitung gar als Spiegel des Lebens. „Ich muss bei jedem Schritt entscheiden: Was kommt als nächstes“ Auch im menschlichen Leben gelte es fortlaufend Entscheidungen zu treffen; viele davon seien unumkehrbar. Wie bei einem weggeschlagenen Stück Holz.

Die Ausstellung in der Berufsschule am Brückenkopf dauert bis 8. Januar. Werktags ist sie von 14 bis 18 Uhr zu sehen, am Dreikönigstag und am Wochenende von 11 bis 17 Uhr.