Wassermungenau
"Ein Gefühl, wie wenn man sich selbst verliert"

Andreas Gabriel verliert seinen Sohn an Krebs und kämpft jetzt für Kinder und Familien mit einem ähnlichen Schicksal

08.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:28 Uhr
Andreas Gabriel zeigt ein Bild seines an Krebs verstorbenen Sohnes Jonas. Jetzt möchte er anderen kranken Kindern helfen. −Foto: Foto: Fischer

Wassermungenau (HK) Er hat das wohl Schlimmste erlebt, was Eltern erleben können: Im Januar verlor Andreas Gabriel aus dem Landkreis Roth seinen neunjährigen Sohn Jonas an den Krebs. Seitdem ist der 42-Jährige mit einer Mission unterwegs: Er will anderen Familien in einer solchen Situation unter die Arme greifen.

Ein großer Stoffpinguin steht auf dem Wohnzimmerschrank. Daneben Trauerkarten und selbstgemalte Bilder. Noch nicht einmal ein halbes Jahr ist es her, da haben Andreas Gabriel und seine Frau ihren neunjährigen Sohn verloren. Dabei begann alles ganz harmlos. Jonas hatte Stimmungsschwankungen, keinen Appetit und Bauchschmerzen. Der Verdacht fiel zuerst auf psychische Probleme und die Schule. Doch ihrem Sohn ging es immer schlechter, er verlor sogar an Gewicht. Der Kinderarzt erstellte daraufhin ein Blutbild. Weil darin ein Wert ungewöhnlich war, verwies er die Familie Gabriel an einen Arzt in der Cnopf´schen Kinderklinik in Nürnberg. Erst dort merkten sie, dass sie sich auf der Krebsstation befanden. "Wir haben mit allem gerechnet, aber an Krebs habe ich gar nicht gedacht", sagt Andreas Gabriel. Die anschließende Ultraschalluntersuchung bestätigte den Verdacht des Kinderarztes: Ein riesiger, aggressiver Tumor von zehn mal zwölf Zentimetern. Der 42-Jährige erinnert sich an die Situation: "Ein Gefühl, wie wenn man sich selbst verliert".

Doch es kam noch schlimmer. In der anschließenden Besprechung wurde den Eltern der Befund mitgeteilt: Metastasen im Schädel, Hals, Bauch, in der Niere und der Lunge. Schon wenige Stunden später startete für Jonas die erste Chemotherapie. Eine Therapie, die zunächst auch anschlug. Der Tumor schrumpfte und die Metastasen bildeten sich zurück. "Niemand hätte gedacht, dass der Krebs so gnadenlos zurückschlägt", sagt Gabriel.

Schon drei Wochen nach der monatelangen Chemobehandlung war der Tumor fast in voller Größe wieder da. Weil eine weitere Chemotherapie nicht wirkte und Jonas zusehends schwächer wurde, entschieden sich die Gabriels für eine naturheilkundliche Methode. Eine Methode, die von der Krankenkasse nicht finanziert wird. Hunderte Freunde, Bekannte und auch völlig Fremde spendeten daraufhin für Jonas. Zehntausende Euro kamen so in kurzer Zeit zusammen. Eine überwältigende Solidarität, die bei Andreas Gabriel und der Familie wieder etwas Hoffnung weckte. Es gingen Briefe aus ganz Deutschland ein, fremde Kinder malten Bilder und gaben sie an der Pforte der Krebsstation ab und Jonas Bekannte aus dem Fußballverein kamen zu Besuch. Bayernweit berichteten die Medien über das Schicksal des kleinen Wassermungenauers. Doch der Neunjährige ist zu schwach. Am 20. Januar um sechs Uhr schläft er in den Armen seines Vaters ein. "Ich habe darauf gewartet, dass er noch einmal den Brustkorb hebt, aber da war nichts", erinnert sich Gabriel mit Tränen in den Augen.

Ein befreundeter Bestatter hat Jonas dann in einen weißen Sarg gelegt. Im Fußballtrikot, unterschrieben von seinen Sportfreunden und mit seinem Lieblingsstofftier. Auf die anschließende Beerdigung kamen Hunderte Menschen aus dem Landkreis und darüber hinaus. Sie trugen bunte Kleidung, das war den Gabriels wichtig. An das Grab seines Sohnes treten war für den 42-Jährigen noch bis vor wenigen Tagen schwer. "Ich habe ihn in meinem Herzen", sagt er und schaut an die Wand. Dort hängt ein Bild von Jonas. Ohne Haare auf dem Kopf, aber dafür mit breitem Grinsen im Gesicht. So wie er vielen in Erinnerung bleibt.

Nach diesem Schicksal in einen normalen Alltag zurückkehren war für Andreas Gabriel nicht vorstellbar. Zusammen mit Bekannten hat er einen Verein "Jonas Gabriel Kinderkrebshilfe" gegründet. Mit den verbleibenden Spendengeldern und vor allem mit viel Herz und Erfahrung möchte er Eltern in ähnlichen Situationen helfen. Aktuell betreut der Verein ein kleines an Krebs erkranktes Mädchen und deren Familie aus dem Landkreis Ansbach.

"Ich habe das Gefühl, das ist jetzt meine Aufgabe", sagt Gabriel und lächelt. Jonas sei immer sehr hilfsbereit gewesen und als es ihm zwischenzeitlich besser ging habe er gesagt: "Das ganze Geld brauchen wir ja jetzt nicht mehr, nun können wir vielen anderen Kindern helfen." Für Sonntag hat Andreas ein Benefiz-Fußballturnier in Wassermungenau organisiert. Ab 10.30 Uhr spielen auf dem TSV-Platz unter anderem Jonas Freunde für den guten Zweck. Auch viele Politiker haben sich angekündigt. Das Geld soll in die Arbeit des Vereins fließen und vielen Familien helfen.
 

Simon Fischer